Dr. Peter Lock
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letzte Änderung:03.01.2011
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Gibt es ökonomische Strukturen, die Gewalt und Terror hervorbringen?

Thesen für die Tagung "Zivile Konfliktbearbeitung im Schatten des Terrors" Ev. Akademie Loccum am 25.September 2002

Vorbemerkung

In meinen Ausführungen werde ich scharfe Kritik an dominanten Diskursen in der Politikwissenschaft üben. Daran mag einiges polemisch überspitzt ausfallen, aber daraus wird sich hoffentlich eine weiterführende Kontroverse entwickeln. Mit dem Begriff Terror werde ich mich nur insoweit befassen, als ich ihn eher politischen Strategien zuordne, die sich in blockierten Mittelklassen entwickeln. Ansonsten wird der Begriff derzeit überstrapaziert und politisch instrumentalisiert. Er ist daher wenig geeignet, Strukturen analytisch aufzuhellen, die Gewalt hervorbringen.

Für die Sozialwissenschaften allgemein gilt, daß sie in den siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts nur wenige realitätstüchtige Erkenntnisse über die politische und gesellschaftliche Dynamik in der Sowjetunion geliefert hat und daher ebenso wie die Politik von der Implosion der Sowjetunion überrascht wurde. Das muß Anlaß zu Bescheidenheit und zur Verinnerlichung des Prinzips des Irrtumsvorbehaltes bei der Fortentwicklung des Diskurses sein.

In der Politikwissenschaft, soweit sie sich mit Krieg und Frieden beschäftigt, wird noch immer viel über den sog. demokratischen Frieden publiziert[1]. Dabei handelt es sich im wesentlichen um den vorläufigen Befund, daß innerhalb der OECD-Welt keine zwischenstaatlichen Kriege mehr ausgetragen werden. Es wird unterstellt, demokratische Herrschaft immunisiere gegen zwischenstaatliche Kriege. Spätestens kriegerische Ereignisse außerhalb der OECD-Welt, auf die die Verbreitung tragfähiger demokratischer Staatlichkeit im wesentlichen beschränkt ist, verweisen darauf, daß es tragfähiger ist, zu vermuten, daß die voraussehbaren Schäden einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen modern gerüsteten Staaten inzwischen so immens sind, daß rationale Interessendurchsetzung mit dem Mittel des zwischenstaatlichen Krieges gegeneinander für diese Akteure konterproduktiv ist. Da robuste demokratische Staatlichkeit und die OECD-Welt weitgehend kovariieren, ist der Befund wenig hilfreich und tautologisch. Hierin stimme ich Münklers scharfer Kritik am Theorem des demokratischen Friedens ausdrücklich zu[2].

In der folgenden Analyse der Strukturen, die Gewalt hervorbringen, werde ich die These entwickeln, daß der Staat als zentrale Instanz politikwissenschaftlicher Analyse im Hinblick auf die Untersuchung realgesellschaftlicher Prozesse insgesamt stark an Bedeutung verliert und daß sich in der Folge das Ereignis Krieg, das nach herkömmlicher Definition immer an einen Staat als Akteur gebunden ist, in dezentralisierte, transnationale, schwer in seinen Organisationsmustern zu diagnostizierende Gewaltereignisse transformiert. Anders formuliert, Krieg in der herrschenden politologischen Definition[3] scheint in Fortschreibung beobachtbarer Entwicklungen eher ein Auslaufmodell zu sein. Dies jedenfalls ist die These, die ich im folgenden begründen möchte. Die Diffusion gegenwärtiger Formen innergesellschaftlicher Kriege in Gewaltanwendung durch kriminelle Unternehmer, die in transnationalen Netzwerken operieren, wird in der politikwissenschaftlichen Kriegsursachenforschung zwangsläufig als Rückgang von Kriegen im Weltmaßstab registriert. Denn zur Feststellung eines Krieges ist eine Mindestmaß an erkennbarer Organisation (Streitkräfte) und Kontinuierlichkeit notwendig. Schließlich gibt es einen Schwellenwert bezüglich der Opferzahlen[4]. Daher wird man mit neuen Kategorien für die Untersuchung der Erscheinungsformen gesellschaftlicher Gewaltanwendung arbeiten müssen, wenn man die Strukturen von gesellschaftlicher Gewalt, ihre quantitative Entwicklung auch jenseits direkter staatlicher Beteiligung erfassen und realitätstüchtige Strategien zur Einhegung dieser Gewalt entwickeln will.

Globalisierung und Fragmentierung

Längst wird nicht mehr bestritten, daß der neoliberale Globalismus die soziale Polarisierung innerhalb von Staaten und zwischen armen und reichen Staaten verschärft. Man tröstet sich damit, daß der neoliberale Globalismus allgemein mit Wachstumsraten verknüpft ist und daß es den Ärmsten aus statistischer Sicht geringfügig besser gehen müßte. Ein umfangreiches Forschungsprojekt der Weltbank, das Einkommensentwicklung und Liberalisierung weltweit untersucht hat, kommt zu dem Ergebnis, daß die Zahl der Menschen, die mit weniger als einem Dollar am Tage leben müssen, in den neunziger Jahren leicht zurückgegangen ist. Dies gilt in besonderem Maße für die Staaten, die in der Studie als "globalizer" beschrieben werden, also Staaten, die auf Öffnung ihrer Volkswirtschaften gesetzt haben[5]. Gleichzeitig verweist man auf die miserablen wirtschaftlichen Daten von Schurkenstaaten und den wenigen anderen Staaten, die sich gegen den Sog des neoliberalen Globalismus stemmen. Die Schlußfolgerung lautet und wird vom deutschen Chef des Weltwährungsfonds gegenüber Globalisierungsgegnern, wie der Attac-Bewegung, offensiv vertreten, nicht weniger, sondern mehr Globalisierung, womit die neoliberale Regulierungsideologie gemeint ist, sei von Nöten, um die negativen Auswirkungen der gegenwärtigen Globalisierung zu überwinden.

Die virtuelle Kontroverse Köhler versus Attac läßt sich empirisch nicht auflösen. Aber es ist möglich, sie aus der Perspektive eines sechszehnjährigen Algeriers oder Nigerianers oder jungen Menschen aus irgendeinem der vielen sozial polarisierten Staaten mit extrem hoher Arbeitslosigkeit in der Dritten Welt zu bewerten. Die Testfrage dieser jungen Menschen an die Politik lautet, besteht eine faire Chance, daß sie im Verlaufe ihres Lebens einen Arbeitsplatz in der regulären Ökonomie erhalten. Dabei stehen neoliberale "Nichtregulierung" und wie auch immer gestaltete wirtschaftliche Regulierung durch den Staat als Optionen zur Auswahl. Hingegen steht der unaufhaltsame Prozeß global immer integrierterer Entwicklung als solcher nicht zur Disposition, er ist allein aufgrund unausweichlicher kommunikativer Integration vorgegeben. Allerdings verläuft dieser Prozeß weder linear noch naturgesetzlich, denn er wird beständig durch Gewalteruptionen auf die eine oder andere Art modifiziert, insgesamt aber ist er unaufhaltsam. Insofern denunziert die politische Zuschreibung Globalisierungsgegner zu Unrecht pauschal alle wirtschaftlichen Regulierungskonzepte, weil sie sich nicht dem neoliberalen Dogma unterordnen. Wirklich "reaktionäre" Illusionisten, die mit ihren Forderungen hinter die Aufklärung zurückfallen und neoromantische Lebensformen der isolierten Einfachheit predigen, bilden eine zu vernachlässigende Minderheit unter den Kritikern des neoliberalen Globalismus. In Wirklichkeit geht es bei dieser politischen Kontroverse nur um unterschiedliche Strategien der Gestaltung von Globalisierung.

Zur Beantwortung dieser virtuellen Testfrage junger Menschen aus den Armutszonen der Weltgesellschaft genügen folgende Informationen: Wie viele Menschen sehen sich weltweit mit der gleichen Frage konfrontiert; ein Schätzwert, welche Investition ein im globalen Wettbewerb konkurrenzfähiger Arbeitsplatz mindestens erfordert und ein Taschenrechner. Wenn man die beiden Werte miteinander multipliziert, um den Kapitalbedarf zu ermitteln, der zur Erreichung des vorgestellten hinreichenden Beschäftigungsangebotes notwendig wäre, dann ergibt sich sofort, daß eine große Zahl dieser jungen Menschen, die diese Frage stellen, notwendig durch das Sieb des neoliberalen Globalismus fallen und dazu verdammt sind, in der Schattenökonomie ihr Überleben zu organisieren. Denn die unter neoliberaler Regulierung notwendige Sparquote, um auf mittlere Frist weltweit arbeitslose junge Menschen in die reguläre Ökonomie zu integrieren, eignet sich nicht einmal als Utopie.

Beschäftigungspolitisch werden selbst die ausgelobten hohen Wachstumsraten aufgrund umfassender Marktöffnung neoliberalen Zuschnitts Tropfen auf heißen Steinen bleiben. Gleichzeitig würden Versuche, bei geschützten nationalen Märkten nachholende Entwicklung im Stile der asiatischen Tigerökonomien in einem Lande zu betreiben, heute auf hartnäckige Sanktionen des IWF und der internationalen Finanzmärkte stoßen. Der Modernisierungsschub, der mit dem neoliberalen Globalismus einhergeht, entwertet traditionale ländliche Strukturen und führt zu räumlich konzentrierter sozialer Segmentierung der Gesellschaften in Megastädten. So wird die gesellschaftliche Wirklichkeit in sehr vielen Ländern von massenhafter Ausgeschlossenheit der zahlreich nachwachsenden Generationen von der regulären Ökonomie geprägt bleiben. Diese verbreitete intergenerationelle Apartheid erweist sich als ein verdrängtes systemisches Merkmal des neoliberalen Globalismus. Sie ist zunehmend von sozialer Bitterkeit, individuellen alternativen Lebensentwürfen geprägt, die sich auf Gewaltanwendung zur Durchsetzung gründen. Diese jungen Menschen haben keine politische Repräsentation in den bestehenden staatlichen Strukturen und politischen Verbänden. Wirklich wahrgenommen werden sie nur als Kriminalitätsrisiko.

Hätten die weltweit in die soziale Apartheid abgedrängten jungen Menschen in den herrschenden politischen Systemen eine politische Stimme zur Wahrnehmung ihres Interesses, in rechtsstaatlich verfaßten Verhältnissen zu leben und zu arbeiten, dann wäre es um die Durchsetzungsfähigkeit des neoliberalen Globalismus schlecht bestellt. An die Stelle eines abstrakten Wohlfahrtsversprechens durch Wachstum mittels völliger Deregulierung der Ökonomie würde als Priorität die Chance aller auf konstruktive Beteiligung an der gesellschaftlichen Reproduktion durch Arbeit in einer einheitlichen rechtsstaatlichen Sphäre treten. Von unten, d.h. aus den Schatten der neoliberalen Globalisierung und vor allem mit den Augen junger Menschen betrachtet erfordert die Weltwirtschaft eine neue Regulierungsdoktrin, die auf produktive Teilhabe möglichst vieler an den Volkswirtschaften ausgerichtet ist.

Krieg und Frieden

Im Weltbild unserer aufgeklärten Modernität erscheint Krieg als moralischer Störfall in einem global integrierten System, das mit internationaler Gemeinschaft oder Weltgesellschaft bezeichnet und als verantwortungsethische Einheit definiert wird. Daraus leitet sich ein moralischer Imperativ für die internationale Staatengemeinschaft ab, derartigen Störungen kollektiv zu begegnen. Da zwischenstaatliche Kriege inzwischen zur Ausnahme geworden sind und innergesellschaftliche bewaffnete Konflikte überwiegen, bedeutet dies nach dem Ende des Kalten Krieges und der damit verbundenen Aufhebung des "Dogmas" der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten eine Ausweitung friedensschaffender und friedenserhaltender Einmischungen in innergesellschaftlich ausgetragene Konflikte. Es hat sich eine neue Abwägung der Rechtsgüter staatliche Souveränität und Menschenrechte durchgesetzt, die mit der Schaffung des internationalen Strafgerichts auch einen institutionellen Ausdruck gefunden hat.

In der politischen Realität wird dieser moralische Imperativ jedoch nicht eingelöst. Interventionen, auch wenn sie das Etikett humanitär tragen, bleiben an Interessen (militärisch) leistungsfähiger Staaten gebunden. Die Abläufe der Ereignisse auf dem Balkan[6] und in Ruanda haben dies deutlich demonstriert.

Gleichzeitig werden die Merkmalsausprägungen gegenwärtiger Kriege zunehmend diffuser. Beginn und Ende markieren häufig keine wirklichen Zäsuren im Hinblick auf das Gewaltgeschehen. Das Gewaltniveau in einer Gesellschaft ist kein hinreichendes Merkmal für Krieg. Das Kampfgeschehen trägt nicht selten erratische Züge. Humanitäre Hilfe als ein niedrigschwelliges Element der Einmischung wird vielfach in das Kriegsgeschehen integriert und somit die Neutralitätsvermutung bereits als Zugangsvoraussetzung aufgehoben.

Zudem gilt, daß sich die ökonomische Grammatik von Kriegen grundlegend gewandelt hat. Während der 2. Weltkrieg, aber auch noch der Koreakrieg mit einer Ausweitung der Produktion und Mobilisierung brachliegender Ressourcen, Sklavenarbeit eingeschlossen, einhergingen, sind bewaffnete Konflikte der Gegenwart davon gekennzeichnet, daß wirtschaftliche Aktivitäten paralysiert und die Menschen arbeitslos werden, ihre Lebensgrundlagen verlieren und zu Flüchtlingen werden. Die Unterscheidung zwischen Kombattanten und Zivilisten verschwimmt, zugleich ist die Zivilbevölkerung bevorzugtes Ziel von Kampfhandlungen. Kriegsgefangene sind zur Ausnahme, Geiselnahme beinahe zur Regel geworden. Das Kriegsvölkerrecht bildet für die Akteure längst keine Handlungsschranken mehr.

Mit der amerikanischen Wende nach dem 11.September zum erklärten Krieg gegen den Terror sind Grenzziehungen zwischen Krieg und Frieden aufgehoben worden. Der in der Bedrohungsideologie vorgestellte, weitgehend unsichtbare Gegner in diesem Krieg kennt keine Handlungsschranken, er ist in Zeit und Raum omnipräsent. In dem Maße, in dem die Figur der terroristischen Bedrohung als politische Ressource des Machterhalts mißbraucht wird, gewinnt sie totalitäre Dimensionen. In dieser autosuggestiven Logik nimmt sie beliebige, machtpolitisch opportune Gestalten an, deren reale Existenz niemals falsifizierbar ist. Für defensive Strategien fehlt es an deutlichen logistischen Spuren des terroristischen Gegners. Aus der imaginierten totalitären Bedrohung ergibt sich systemisch der Zwang, die (Selbst)Verteidigung keinerlei Handlungseinschränkungen zu unterwerfen. Folglich erscheinen aggressive präventive Strategien als einzig mögliche und wirksame Verteidigung. Sie dürfen weder durch rechtsstaatliche Regeln noch durch Völkerrecht in ihrer Wirksamkeit eingeschränkt werden. Der Krieg gegen den Terror läuft so auf eine asymmetrische, gewalttätige globale Machtpolitik hinaus, die jegliche territoriale Souveränität Dritter ignoriert. Sie bezieht ihre Legitimation aus einer normativen Suprematievermutung des amerikanischen Staates und dessen Wertesystem. Dieser Krieg bleibt ohne Aufgabe seiner Prämissen ohne Ende und hebt sich bzw. die Figur des Krieges auf[7]. Dies macht ihn vorrangig zu einer manipulativen innenpolitischen Ressource in den USA mit tiefgreifenden Folgen für die Entwicklung und Durchsetzung von Völkerrecht und die Rolle der Vereinten Nationen.

Kriegsursachenforschung: Die Entdeckung der Ökonomie

Ökonomische Strukturen, die Kriege aufrechterhalten oder gar verursachen, sind in den letzten Jahren zunehmend in den Mittelpunkt sozialwissenschaftlicher Analysen von Kriegsgeschehen gerückt. Hierzu zählen der frühe Sammelband L'économie de guerre civile aus dem Jahre 1996[8] und die von Paul Collier, einem leitenden Ökonomen bei der Weltbank, ausgelöste Flut statistisch vergleichender Untersuchungen möglicher Kriegsursachen. Bei aller Verschiedenheit der jeweiligen Forschungsansätze wird illegalen Handels- und Finanzströmen durchgängig eine wichtige Rolle für das Kriegsgeschehen zugeschrieben. Diese Transaktionen verknüpfen die gegenwärtigen Kriege, oft auf verschlungene Weise mit der Weltwirtschaft, wobei die Kette der Transaktionen zumeist in der Schattenökonomie ihren Ausgang nimmt, um dann in späteren Phasen in die reguläre Ökonomie zu münden. Ohne derartige Handelsströme würde zumeist das Kriegsgeschehen implodieren.

Diese Beobachtungen brechen sich häufig mit einer Medienberichterstattung, die ideologische Identitätsdiskurse als hauptsächliche Ursachen für den Konfliktaustrag mit Mitteln kriegerischer Gewalt präsentieren. Leider folgt die Politik häufig derartigen Darstellungen, läßt sich zur Parteinahme hinreißen und ist der Versuchung ausgesetzt, Vertreibungen schließlich als das kleinere Übel zu sanktionieren. Auch in den Sozialwissenschaften herrschte lange Zeit eine Tendenz vor, die Inszenierung von Identitätskonflikten als Realität zu akzeptieren und auf dieser Folie nach Konfliktlösungen zu suchen. Allein die affirmative Verwendung des Begriffes ethnischer Konflikt[9] muß im Lichte der inzwischen zahlreichen Erkenntnisse über die schattenökonomische Dynamik innergesellschaftlicher Konflikte kritisch gesehen werden.

Mit der Betonung der ökonomischen Dimension soll allerdings keineswegs kriegerische Gewalt als monokausal erklärbares Geschehen präsentiert werden, vielmehr kommt es darauf an, die funktionalen Verkettungen des Kriegsgeschehens mit globaler wirtschaftlicher Zirkulation zu beleuchten. Aus ihnen ergeben sich einerseits strategische Möglichkeiten der Einhegung und andererseits wird mittelbare, oft nicht intendierte Teilhabe an der Kriegsdynamik sichtbar. Scheinbar irrationale Gewalt und sinnlose Grausamkeit läßt sich häufig als Strategie zur Erlangung vollständiger Kontrolle der Wirtschaft entschlüsseln, indem der Markt durch Gewalt bzw. deren glaubwürdige Androhung ersetzt wird. Im Verlauf innergesellschaftlicher bewaffneter Konflikte besteht latent die Gefahr, daß sich die ökonomische Logik, der die Konfliktparteien unterworfen sind, zu einer "stabilen Produktionsweise" verselbständigt. Die Kriegsakteure verstehen es nicht nur humanitäre Hilfe zu ihrer Ressource zu machen, sie sind in der Regel in der Lage ihre Interessen auf der Ebene der Medienpräsentation zu optimieren, indem sie Kampfhandlungen mediengerecht "veranstalten". Das "Schlachtfeld" wird zur Bühne[10], auf der um Unterstützung durch internationale Akteure gezielt geworben wird.

Im Rückblick läßt sich sagen, daß zahlreiche Sequenzen des Bosnienkrieges von den Kriegsparteien inszeniert waren. Allerdings ist die Dechiffrierung der jeweils implizierten Gewaltlogik dadurch erschwert, daß es nicht nur um den Ausschluß des Gegners vom Zugriff auf Ressourcen und Territorien ging, vielmehr stand nicht selten auch die absolute Kontrolle der eigenen Reihen durch die politischen Kriegsunternehmer im Vordergrund. Nachdem die kriegstreibenden Identitätsideologien durch das Dayton-Abkommen sanktioniert waren, bildeten sie die Fassade für vom organisierten Verbrechen dominierte politische Teilstaatsgebilde, deren Institutionen und Wirtschaft weiter ohne Aussicht auf rechtsstaatliche Konsolidierung bleiben.

Die Erkenntnisse, die sich aus den kriegsökonomischen Analysen ableiten lassen, weisen weit über die eigentlichen Konfliktterritorien hinaus und verorten kriegsökonomische Vorgänge als Teil global fungierender Zirkulationssphären im Schatten des neoliberalen Globalismus. Es deutet vieles darauf hin, daß ähnlich gewaltgeprägte Strukturen vielerorts auch unabhängig von bewaffneten Konflikten zu beobachten sind. Dies provoziert die Frage, ob bewaffnete Konflikte nur ein Sonderfall einer allgemeinen Entwicklung in der gegenwärtigen Phase des Globalisierungsprozesses sind.

Kriegsökonomien als Element der Schattenglobalisierung[11]

Die Logistik nicht-staatlicher Kriegsparteien ist von der Leistungsfähigkeit illegaler Netzwerke abhängig, die transnational verfaßt sind. Alle Kriegsparteien sind nach dem Ende der bi-polaren strategischen Konkurrenz gezwungen, eigenständig Einkünfte zu generieren, um die Versorgung mit militärischer Ausrüstung, Waffen und Munition zu gewährleisten. Diese Einkünfte müssen in konvertierbarer Währung verfügbar sein, in der Praxis heißt das Dollarnoten. Denn die illegalen, aber häufig auch die legalen Waffenverkäufe an Kriegsparteien erfolgen nur gegen Barzahlung. Die Bezahlung des Kriegspersonals hingegen ist meist weniger problematisch, denn an ihre Stelle tritt häufig raubkriminelle Selbstversorgung der kämpfenden Parteien. Werden ein Land oder eine Region mit einem Waffenembargo der Vereinten Nationen belegt, führt dies zur Bildung einer außerordentlich dynamischen schattenwirtschaftlichen Sphäre. Die Rüstungslogistik des südafrikanischen Apartheidregimes und die dynamischen schattenökonomischen Außenwirtschaftsbeziehungen des Irak mögen als Belege gelten.

Geht man auf die Suche nach Erklärungsmustern für Kindersoldaten, einem beinahe schon systemischen Merkmal gegenwärtiger Kriege, offenbart sich in radikaler Form die ökonomische Grammatik gegenwärtiger Kriege. Um das Phänomen "Kindersoldaten" besser zu verstehen, muß man sich die Kette wirtschaftlicher Transaktionen zu veranschaulichen, die stattgefunden haben müssen, bevor ein Kind zum bewaffneten Gewaltakteur ausgerüstet wird. Denn der Beschaffungswert für das automatische Gewehr und hundert Schuß Munition, mit denen Kindersoldaten in der Regel abgelichtet werden, entspricht häufig dem durchschnittlichen Jahreseinkommen pro-Kopf in der betreffenden Region. Zudem muß der Bewaffnung eines Kindersoldaten in der Regel eine devisenbringende Exporttransaktion vorausgegangen sein, aus der die Mittel zur illegalen Beschaffung der Waffen stammen. Schließlich muß der Gewaltunternehmer, der in die Rekrutierung und Ausrüstung von Kindersoldaten investiert, sich in Abwägung gegen andere legale oder weniger legale Anlagemöglichkeiten Vorteile von gerade dieser Investition versprechen. Hinter der von uns Fernsehkonsumenten als Wahnsinn wahrgenommenen Erscheinung Kindersoldat steht eine Investition aufgrund eines gewaltunternehmerischen Kalküls.

Kindersoldaten, die in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren in bewaffneten Konflikten in Afrika und Teilen Asiens Angst und Terror verbreitet haben, sind willfährig gemachte Instrumente von Gewaltunternehmern, deren Geschäfte nur in einem kriminellen Umfeld florieren. Die militärische Aufgabe von Kindersoldaten ist die totale Destabilisierung jedweder rechtlich begründeten und als legitim akzeptierten sozialen Ordnung. Zusätzlich zu automatischen Gewehren und reichlich Munition werden die Kinder häufig mit Drogen versorgt, um die letzten Handlungsschranken gegen das Töten bei ihnen zu überwinden und so die terrorisierende Wirkung ihrer Aktionen zu steigern. Ziel dieser Gewaltunternehmer ist es, wirtschaftlichen Tausch in dem von ihnen beherrschten Gebiet der Gewaltsteuerung zu unterwerfen und Überschüsse für sich zu erpressen. Allerdings setzt Gewaltsteuerung für die Kriegsakteure voraus, daß es Kanäle gibt, angeeignete Waren und häufig auch Dienstleistungen wie Prostitution, durch Agenten in der Schattenwirtschaft, meist zu Dumpingpreisen, in die reguläre globale Waren- und Finanzzirkulation einzuschleusen und so Devisen zu erwirtschaften. Denn die Produktionsmittel der Gewaltsteuerung, vor allem Kleinwaffen, Munition und Kommunikationsmittel, z.B. Mobiltelefone, sind auf den global fungierenden Schwarzmärkten nur gegen Devisen erhältlich.

Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, das reale ökonomische Umfeld von Kriegsökonomien zu untersuchen, um zu verstehen, weshalb es für sogenannte Warlords und andere Gewaltunternehmer möglich ist, Hehler für angeeignete Waren und Schwarzhändler für die Sicherung ihres Nachschubs zu finden. Die Dynamik der gegenwärtigen Globalisierungsprozesse macht das Umfeld gegenwärtiger Kriege aus. Sie ist gleichzeitig von Wachstum und Reichtum einerseits und sozialem Ausschluß und Armut andererseits geprägt.

Die Betrachtung sowohl der Weltwirtschaft als auch einzelner Volkswirtschaften als ein Zusammenspiel von drei Sektoren, den regulären, den informellen und den kriminellen, erleichtert es, diese Gleichzeitigkeit und den verbreiteten Verfall von Staaten, sowie die Langlebigkeit vieler bewaffneter Konflikte der Gegenwart zu erklären. Der unterschiedliche sozial-ökonomische Status der weltwirtschaftlich integrierten Staaten läßt sich als ein jeweils unterschiedliches Mischungsverhältnis regulärer, informeller und krimineller Sphären in den verschiedenen Volkswirtschaften beschreiben. Das Zusammenwirken dieser drei Sphären ist durch asymmetrische bzw. ungleiche Tauschbeziehungen gekennzeichnet. Zugleich bestimmt das jeweilige Mischungsverhältnis die soziale Topographie und die Organisation von individueller und kollektiver Sicherheit der jeweiligen Gesellschaften. Darüber hinaus sind diese drei Sektoren der nationalen Volkswirtschaften in jeweils eigenständige globale Zirkulationssphären integriert.

Die Merkmale dieser Sektoren lassen sich folgendermaßen skizzieren:

Erster Sektor: Der reguläre Sektor in der globalen Ökonomie ist durch eine rechtliche Ordnung gekennzeichnet, die Transaktionen für alle Marktteilnehmer berechenbar macht. Es werden überwiegend Steuern zur Reproduktion eines Staates gezahlt, auch wenn das Niveau der Besteuerung als Folge weltweiter Standortkonkurrenz allgemein abnimmt. Die mageren Wachstumsraten der regulären Ökonomien halten global nicht Schritt mit dem Wachstum der Weltbevölkerung im erwerbsfähigen Alter und der sich daraus ergebenden Nachfrage nach Arbeit. Mit dem informellen Sektor findet massiver ungleicher Tausch im Bereich von illegalen Dienstleistungen statt. Die inzwischen allgemeine Akzeptanz dieser Schwarzarbeit, bei der illegale MigrantInnen in der Regel eine große Rolle spielen, hebt den Lebensstandard in der regulären Sphäre nicht unwesentlich.

An ihren Rändern sind die regulären Ökonomien ständig korruptiven Attacken wirtschaftskrimineller Akteure ausgesetzt, die die Produkte und Erträge ihrer illegalen Aktivitäten in die reguläre Waren- und Dienstleistungszirkulation einschleusen wollen. Zerfallende Staaten und Steuerfluchtinseln sind häufig der Ausgangspunkt für solche Transaktionen. Überhöhte Immobilienpreise sind oft ein Indikator für das Einfließen von Erträgen aus der kriminellen Ökonomie und zugleich ein treibender Faktor zyklischer Finanzkrisen in Schwellenländern, wie sie u.a. in Mexiko und Thailand aufgetreten sind[12].

Zweiter Sektor: Die informellen Sphären der Wirtschaft - in ihnen haben rechtsstaatliche Regeln nur sehr begrenzte Geltung. Asymmetrische Machtstrukturen, die unkontrolliert Gewalt androhen oder auch anwenden, und rudimentäre Ansätze kommunitärer Selbstorganisation kennzeichnen die informellen Sphären der Ökonomie. Sieht man von gelegentlicher Erfassung durch Konsumsteuern ab, wenn Angehörige des informellen Sektors als Konsumenten in der regulären Ökonomie agieren, so sind die informellen Sektoren nicht an der Erhaltung und Reproduktion des Staates durch Zahlung von Steuern, also nicht am Kontrakt zwischen Bürger und Staat beteiligt.
Gleichwohl aber ist der informelle Sektor weltweit die Lebenssphäre des größten Teils der erwerbsfähigen Bevölkerung. Selbst in der relativ entwickelten Region Lateinamerika hat die ILO für Ende der neunziger Jahre einen Anteil des informellen Sektors von 56 % an der Erwerbsbevölkerung (EAP = economically active population) ermittelt. Bezogen auf die Zahl der Teilnehmer wächst dieser Sektor weltweit am schnellsten. Es ist quasi strukturell angelegt, daß diese Bevölkerungsmehrheit völlig unzureichend mit öffentlichen Gütern, wie z.B. Schulen, und Infrastrukturen versorgt wird, denn die einfache Formel lautet, ohne Steuern kein Staat und ohne Staat keine öffentlichen Güter.

Andererseits muß herausgehoben werden, daß der informelle Sektor in erheblichem Umfang zur individuellen Wohlfahrt im Bereich der regulären Ökonomie durch billigste Dienstleistungen beiträgt. In den wohlhabenden Industriestaaten nimmt dies zumeist die Form von Schwarzarbeit durch illegale MigrantInnen als Hilfen im Haus und bei der häuslichen Krankenpflege, in Landwirtschaft und Gastronomie, im Handwerkssektor und der Bauindustrie an.

Da alle Aktivitäten, die wir dem informellen Sektor zuordnen, außerhalb der Reichweite von Rechtsstaatlichkeit angesiedelt sind, ist der informelle Sektor generell stark gefährdet, von gewaltkriminellen Akteuren kontrolliert und ausgebeutet zu werden. Das gilt auch für die von Schwarzarbeit dominierten Bereiche in der ansonsten wohl geordneten deutschen Volkswirtschaft.

Dritter Sektor: Die global vernetzten Akteure krimineller wirtschaftlicher Betätigung haben sich dynamische Zirkulationssphären geschaffen. Sie weisen, gemessen an Umsätzen und Profiten, wahrscheinlich die höchsten Wachstumsraten der drei Sektoren in der Weltwirtschaft auf. Definitorisch gilt, daß an Stelle rechtsstaalicher Regelungen latente und manifeste Gewaltverhältnisse die Geschäftsgrundlage in diesen netzwerkartigen Zirkulationssphären bilden. Steuern zur Reproduktion des Staates zahlen diese Akteure nicht. Es kommt hingegen vor allem in Transformationsländern häufig vor, daß wirtschaftskrimenelle Akteure sich öffentliche Infrastrukturen aneignen. In anderen Fällen haben kriminelle Akteure sich eines Staatsorganes oder gleich des gesamten Staatsapparates in einem schwachen Staat bemächtigt[13], um ihre Geschäfte besser betreiben zu können.

Bei der kriminellen Sphäre handelt es sich jedoch um ein parasitäres Gebilde, das auf funktionierende Tauschsphären mit der regulären Ökonomie angewiesen ist. Kriminelle Akteure usurpieren Teile der regulären und der informellen Ökonomien und verknüpfen sie dabei häufig miteinander. Dies macht eine eindeutige definitorische Abgrenzung nicht immer leicht. Immerhin wird aber das BKP (Bruttokriminalprodukt) inzwischen grob auf jährlich 1500 Mrd. US-Dollar geschätzt, wovon knapp die Hälfte auf Drogengeschäfte entfällt. Ein Vergleich mit dem BSP (Bruttosozialprodukt) des gesamten afrikanischen Kontinentes beleuchtet die machtpolitische Brisanz der Größe des kriminellen Sektors gegenüber vielen, vor allem schwachen Staaten. Das BSP Afrikas beträgt kaum mehr als ein Fünftel dieser Summe.

Als heuristisches Instrument genutzt hilft dieses Dreisektorenmodell des aktuellen Globalisierungsprozesses die Dynamik des Erosionsprozesses der Formen von Staatlichkeit zu verstehen, die unseren Vorstellungen von Rechts- und Sozialstaatlichkeit entsprechen. Dabei ist es wichtig, immer im Auge zu behalten, daß die globalen Netzwerke sowohl des informellen als auch des kriminellen Sektors in allen, auch und gerade in den hochindustrialisierten Gesellschaften operieren. Unterschiede liegen in den relativen Gewichtungen. Das Ende des Kalten Krieges und die nun offenen Grenzen der einstigen systemischen Demarkationslinie haben das Wachstum informeller und krimineller Sektoren auch in Westeuropa beschleunigt. Somit kann es nicht überraschen, daß die wohlfahrtsstaatlichen Regelungen der sozialdemokratischen Boomphase in Europa einen Erosionsprozeß durchlaufen. Zudem haben sie ihre ideologische Legitimationsbasis als bessere systemische Alternative verloren.

In vielen Transformationsländern und einer großen Zahl von Entwicklungsländern wird das wirtschaftliche Geschehen von informellen Sektoren und kriminellen Akteuren dominiert. Vorhandene staatliche Strukturen befinden sich in einem lange anhaltenden Auflösungsprozeß, der aufgrund des schleichenden Wegfalls des Staates als Garant rechtsstaatlicher Konfliktschlichtung eine Eigendynamik entwickelt. Die Reproduktion der staatlichen Sicherheitsorgane kann aufgrund der strukturell bedingten fiskalischen Dauerkrise nicht gewährleistet und bestehende Rechte der Marktteilnehmer nicht durchgesetzt werden. Unternehmerische (Überlebens)Strategien sind auf Steuervermeidung gerichtet, in fortgeschrittenem Stadium derartiger Entwicklungen fallen bedeutende Teile der Volkswirtschaft in Tauschwirtschaft zurück. Extrem niedrige Staatsquoten und geringes Steueraufkommen sind untrügliche Indikatoren für derartige Perspektiven. Wird die staatliche Infrastruktur nur mit Außenzuflüssen (Hilfsprogramme) oder ausschließlich aus Rohstoffexporten aufrechterhalten, anders formuliert, besteht kein materieller Kontrakt (Steuern) zwischen Bürgern und Staat, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, daß diese Mittel klientelistisch verteilt werden und daß langfristig wirtschaftskriminelle Akteure Kontrolle zumindest über Teile Staatsapparates gewinnen.

In solchen Situationen öffnen die korporativen und individuellen Überlebensstrategien des Personals von staatlichen Sicherheitsorganen der Korruption Tür und Tor. Die Uniform und Waffen mißbrauchend betreibt es kollektiv und individuell extra-legale Einkommens-sicherung. Im günstigen Fall erbringt man im Zweitjob unter Vernachlässigung der schlecht oder nicht bezahlten dienstlichen Pflichten Dienstleistungen unterschiedlichster Art oder wandert ganz in den rasant wachsenden Sektor privater Sicherheitsdienstleistungen ab. Im ungünstigen Falle degenerieren die staatlichen Sicherheitsorgane zu konkurrierenden Rackets oder die staatlichen Gewaltakteure vermarkten sich direkt als "Dienstleister" in der kriminellen Sphäre. Allen Aktivitäten dieser Art ist gemeinsam, daß die bewaffneten Organe des Staates ihre Legitimation als gesamtgesellschaftlicher Ordnungsfaktor verlieren. Diese Zerfallsprozesse tendieren dazu, rasch zu eskalieren, so daß die Polizei vor allem für die im informellen Sektor lebende Bevölkerung zum Sicherheitsproblem wird, gegen das man seinerseits individuell und kollektiv durch "Aufrüstung" Vorkehrungen treffen muß. Diese Situation wird von kriminellen Akteuren usurpiert, so daß schließlich bewaffnete Drogendealer und andere Gewaltakteure örtlich das Gewaltmonopol ausüben[14].

Für die Dynamik der global vernetzten kriminellen Sphäre kommt dem Drogensektor nach wie vor eine zentrale Bedeutung zu. Dieser Sektor ist in seiner Existenz und ökonomischen Dynamik vom Verfolgungsdruck auf den wichtigsten Endverbrauchermärkten abhängig. Der Verfolgungsdruck macht diesen kriminellen Sektor überhaupt erst so extrem profitabel und hat eine Diversifizierung der Handelsströme und die Schaffung moderner, strategisch geplanter krimineller Netzwerke befördert. Die hohen Profite, die sich ausschließlich aufgrund des Verfolgungsdruckes erzielen lassen, mobilisieren kriminelle Energien und machen die Rekrutierung von Gewaltakteuren leicht. Rein ökonomisch betrachtet handelt es sich bei dem Drogensektor um einen der höchst subventionierten Sektoren in der Weltwirtschaft. Denn alle Aufwendungen [15] für die Verfolgung von Drogendelikten sind nichts anderes als Subventionen zur Stützung der Marktpreise. Drogenverfolgung und illegaler Drogenhandel bilden sich symbiotisch miteinander verbunden als komplexe globale Netzwerke mit ungebremster Dynamik aus. Mit anderen Worten die zum Teil medizinisch nicht gebotenen Drogenverbote wirken nach wie vor als zentrale Triebfeder der gesamten Schattenglobalisierung, die von den Netzwerken der Drogenhändler ausgehend zunehmend andere Wirtschaftsbereiche durchdringt.

Die Nebel der Informalität und Kriminalität werden in dem Umfange dichter, je stärker sich das soziale Profil der Weltwirtschaft polarisiert. Dem steigenden Angebotsdruck informeller Dienstleistungen und Arbeit können auch die am besten rechts- und sozialstaatlich organisierten Volkswirtschaften nicht standhalten. Die Wettbewerbs- und individuellen Wohlfahrtsvorteile, die sich aus informeller, illegaler Arbeit ziehen lassen, sind so attraktiv, daß die Schattenökonomien allerorten dramatisch expandieren. Den anhaltenden Beschäftigungsboom ohne inflationäre Tendenzen in den Vereinigten Staaten Ende der neunziger Jahre erklären Ökonomen mit dem Druck auf die Löhne, der von geschätzten zehn Millionen illegalen, meist lateinamerikanischen Arbeitskräften ausgeht. Für Deutschland dürfte gelten, daß das Tariflohnsystem ohne die breite stillschweigende Akzeptanz von massiver Schwarzarbeit seit Öffnung der Grenzen nach Osteuropa dem Druck zur Flexibilisierung nicht bis heute standgehalten hätte.

Der Begriff Schattenökonomie verharmlost jedoch die korrosive Wirkung dieser Entwicklung. Da informelle Aktivitäten nicht gegen kriminelle Usurpation durch den Zugang zu rechtsstaatlichen Mitteln geschützt sind, ist flächendeckend die Kontrolle von Schwarzarbeit, illegaler Migration usw. durch kriminelle Akteure zu beobachten, die ihrerseits in transnationalen Netzwerken operieren. Der politische Diskurs verdrängt bislang den Sachverhalt, daß schattenwirtschaftliche Aktivitäten sich zu einem Verbund globaler krimineller Netzwerke entwickelt haben und man daher von Schattenglobalisierung[16] sprechen muß. Es handelt sich um das Spiegelbild des neoliberalen Globalismus.

Nun mag man argumentieren, daß dies zu Rückflüssen in die Herkunftsländer führt und dort zur wirtschaftlichen Entwicklung durch Steigerung der Nachfrage beiträgt und langfristig ausgleichende Wirkung hat. Eine solche Betrachtungsweise übersieht aber, daß diese in der Tat globalen Zirkulationssphären keinen Beitrag zur Rekonstruktion zerfallener Staaten leisten. Im Gegenteil, je umfangeicher die informelle und kriminelle Zirkulation von Waren, Menschen und Geld wird, umso mehr wächst das Gewicht derjenigen Akteure, deren Interessen mit der Schwäche bzw. Abwesenheit des Staates als Garant geregelter Märkte verbunden sind.

Angesichts der Dynamik und Expansion in immer neue Betätigungsfelder[17], die den Prozeß der Schattenglobalisierung kennzeichnen, wird es verständlich, daß Kriegsparteien nur geringe Schwierigkeiten haben, ihre illegale Versorgungslogistik zu organisieren, vorausgesetzt sie verfügen über schattenwirtschaftlich absetzbare Ressourcen bzw. eine hinreichende Menge an Devisen. Auch die Möglichkeit, daß sich die zunächst kriegslogistisch begründete Verzahnung mit schattenökonomischen Netzwerken verstetigt und Teil der kriegerischen Gewaltlogik wird, erschließt sich, wenn man die Schattenglobalisierung als operatives Umfeld der Kriegsakteure näher untersucht.

Gewalt als Regulation

Als allgemeine Regel kann gelten, daß die Privatisierung von Sicherheit ein Spiegelbild des Zustandes von Staatlichkeit ist. Öffentliche Güter werden zur Ware, über deren Erwerb die individuelle Kaufkraft entscheidet. Armut bedeutet Unsicherheit. Wenn es jedoch zu einer umfassenden privaten Aneignung des Staates gekommen ist, dann bleibt die faktische Privatisierung lange verschleiert. In Zaire hatte sich diese klientelistische Eskalation von privater Herrschaft bis zu ihrer logischen Auflösung wegen Auszehrung der produktiven Ressourcen und drohender Erschöpfung der privat angeeigneten Ressourcen nahezu vollendet[18]. In den vergleichbaren Fällen, Indonesien unter Suharto oder der Philippinen unter Marcos hat politische Opposition den Weg klientelistischer Diktaturen in völlige wirtschaftliche Auszehrung vorzeitig abgebrochen. Derartige klientelistische Systeme sind auf den Anschein von Staatlichkeit angewiesen, weshalb sie u.a. scheinbar überflüssige sehr aufwendige architektonische Spuren[19] hinterlassen. Anders verhält es sich mit mafiösen Diktatoren, sie konzentrieren sich völlig auf die kriminelle Aneignung von Reichtümern. Die Militärdiktatur in Nigeria unter Abacha dürfte in diese Kategorie fallen.

Die Erscheinungsformen der Auflösung von Staatlichkeit, wie sie durch wohlfahrtsstaatlich orientierte Postulate von Rechtsstaatlichkeit definiert ist, sind zwar verwirrend vielfältig, aber allen ist gemein, daß das staatliche Gewaltmonopol zugunsten eines breiten Spektrums privatisierter Organisation von Sicherheit sowohl innerhalb als auch außerhalb der geltenden Rechtsordnung aufgegeben wird. Im meist schleichenden Prozeß der Auflösung des staatlichen Gewaltmonopols aufgrund des Zusammenbruchs der ökonomischen Basis von Staatlichkeit werden die Angehörigen des Staatsapparates zu einer ständigen Bedrohung für große Teile der Zivilgesellschaft. Ist eine Gesellschaft einmal in einen solchen Zustand geraten, in dem die wirtschaftskriminell angeeignete Fassade von Staatlichkeit und deren Akteure einen Zustand allgemeiner Unsicherheit erzeugen, lösen sich auch zivilgesellschaftliche Regelsysteme auf und werden durch Selbstverteidigungsstrukturen ersetzt. Es bilden sich Identitätsideologien, auch auf der Mikroebene, die sich fast immer auf den konkreten Ausschluß anderer gründen.

Informalisierung und Kriminalisierung wirtschaftlicher Aktivitäten bestimmen das Leben. Sie ersticken alle unternehmerischen Initiativen zur Selbsthilfe. Massive illegale Migration ist regelmäßig das Resultat derartiger Entwicklungen[20]. Die daraus resultierende Diaspora befördert transnationale Vernetzungen und bietet zugleich eine personale Infrastruktur für illegale Transaktionen unterschiedlichster Art. Denn das staatliche Gewaltmonopol und rechtsstaatliche Instanzen des Gastlandes schließen die Lebenssphären illegaler MigrantInnen nicht ein, obwohl ihre Arbeitskraft ökonomisch ein fester Bestandteil der jeweiligen nationalen Ökonomien ist. Sie sind kriminellen Akteuren gegenüber schutzlos und damit erpreßbar.

Die in Umrissen dargestellten Zustände in zerfallenden Staaten finden sich aber auch in sozialräumlich kleinen Einheiten innerhalb ansonsten leidlich funktionierender demokratischer Staaten. Ob es sich um Ghettos sozial abgehängter Minderheiten in den Metropolen von Industrienationen, um die riesigen Armutsgürtel, von denen alle großen Millionenstädte in der Dritten Welt umgeben sind oder aufgegebene Industriestandorte in der ehemaligen Sowjetunion handelt, die Bewohner erfahren Staatlichkeit so, als lebten sie in einem zerfallenen Staat. Polizisten begegnen ihnen als gefährliche Feinde. Entsprechend bilden sich in derartigen "Exklaven der ökonomischen und sozialen Apartheid" den Kriegsökonomien ähnliche Strukturen heraus. Das Gewaltmonopol liegt meist bei nach dem Territorialprinzip organisierten Gangs. Schutzgelder treten an die Stelle von Steuern. Ein mit Gewaltandrohung erpreßtes Schweigen gegenüber den staatlichen Strafverfolgungsorganen entspricht der staatsbürgerlichen Loyalität.

Die Gesellschaft "draußen" ist für diese Menschen Ausland. Dort sind sie eine Ressource u.a. für Drogenhandel und andere risikobehaftete Tätigkeiten, die in der Schattenwirtschaft nachgefragt werden. Wer arm ist, der hat keine Wahl und geht kriminelle Risiken ein. Die beschäftigungslosen Jugendlichen und junge Männer in den Zonen der sozialen Apartheid bilden eine Reservearmee der Kriminalität.

Aus dieser Herangehensweise an die Zusammenhänge zwischen den symbiotisch verknüpften Prozessen von Globalisierung und Schattenglobalisierung einerseits und Erscheinungsformen gesellschaftlicher Gewalt andererseits ergibt sich die Notwendigkeit, Gewalt, die sich unter anderem in Mordraten und Straftaten unter Anwendung von Schusswaffen ausdrückt, auf den Mikroebenen sehr viel genauer, auch international vergleichend zu untersuchen, um den Anteil "regulativer Gewalt" an der Gesamtheit der Tötungsdelikte und anderer krimineller Gewalttaten zu bestimmen. Unter regulativer Gewalt wird die Androhung und der Einsatz von physischer Gewalt zur Durchsetzung von ungleichen Tauschverhältnissen und Aneignung verstanden.

Wie bereits diskutiert lautet ein zentraler Befund neuerer Untersuchungen über bewaffnete interne Konflikte, daß kriegerische Gewalt zu erheblichen Teilen mit wirtschaftlichen Interessen erklärt werden kann, ja daß sogar langandauernde Kriege geradezu zu einer eigenständigen Produktionsweise mutieren, in der das kriegerische Geschehen von gewaltunternehmerischen Kalkülen bestimmt wird. Ein weiterer Befund ist, daß diese Kriegsökonomien nur funktionsfähig sind, wenn sie transnational vernetzt sind. Verfolgt man nun die kriegsökonomischen Transaktionen auf ihrem Weg in die reguläre Ökonomie, so erschließen sich weitere kriminelle Netzwerke, die weltweit agieren und Gewalthandlungen in einem Umfang begehen, der manchen bewaffneten Konflikt übertrifft, den die politikwissenschaftliche Forschung als Krieg beschreibt. Es ist der Disziplin internationale Beziehungen eigen, sich vorrangig auf die Dichotomie Krieg und Nicht-Krieg zu konzentrieren.

Die in diesem Text diskutierten Befunde verweisen jedoch darauf, daß es realitätstüchtiger sein dürfte, bei der Untersuchung gesellschaftlicher Gewaltverhältnisse im Zeitalter von Globalisierung und Schattenglobalisierung mit der Kategorie "regulative Gewalt" arbeiten, um so besser die Gewaltlogiken entschlüsseln können, die für das dynamische Fungieren der Schattenglobalisierung unabhängig von der Kategorie Krieg konstitutiv sind. So werden in der Region der Megastädte Sao Paulo und Rio de Janeiro[21] jährlich jeweils weit mehr Menschen umgebracht als in manchen Kriegen in Afrika. Es gibt zahlreiche empirische Studien, die auf einen hohen Anteil organisierter "regulativer Gewalt" an dieser Gewaltkriminalität verweisen.

Diffusion kriegerischer Gewalt in transnationale Gewaltregulation

Streng ökonomisch betrachtet muß der kriegswirtschaftlich bedingten Menge illegaler Transaktionen in einem Kriegsgebiet eine gleiche Menge illegaler Transaktionen außerhalb des Kriegsgebietes entsprechen. Dies begründet die expansive Dynamik informeller und krimineller Sphären ausgehend von Kriegsökonomien zunächst in die Region und dann in die globalen Waren- und Dienstleistungsströme. Letztlich aber reüssieren derartige Netzwerke nur, weil sie über Hehler Zutritt zu den Märkten der reichen Industrieländer finden. Dies rückt selbst weit entferntes Kriegsgeschehen in direkte Nähe zu unserer unmittelbaren Lebenssphäre und bedeutet zugleich, daß es mächtige wirtschaftliche Hebel zur Einhegung von entferntem Kriegsgeschehen gibt. Sie müssen aber erst in ihren oft verschlungenen Wegen offengelegt und dann ihre Nutzung politisch eingefordert werden.

Schattenökonomische Netzwerke haben jedoch keineswegs ausschließlich in Kriegsszenarien ihren Ausgangspunkt. Man kann sie bereits als systemisches Merkmal des gegenwärtigen Globalisierungsprozesses bezeichnen. In des Wortes Sinne ist die Schattenglobalisierung der unausweichliche Schatten der gegenwärtigen Globalisierung unter der Vorgaben neoliberaler Ordnungspolitik. In diesen Netzwerken geht es nicht länger mehr nur um Elfenbein, Diamanten oder Edelhölzer und Menschenhandel, vielmehr dürften der Umsatz gefälschter Markenprodukte, vor allem aus Asien, und Schmuggel in großem Maßstab, z.B. von Zigaretten, längst den Umschlag direkt "kriegsökonomisch" ausgelöster Warenströme weit übertreffen[22].

Die entscheidend neue Dimension dieser Erscheinungen, die in Kriegswirtschaften innergesellschaftlicher bewaffneter Konflikte und in stark fragmentierten Gesellschaften systemischen Charakter haben, liegt darin, daß die Funktionslogik dieser notwendig transnationalen Netzwerke die Unterschiede zwischen Krieg und Frieden verwischt. Die Raten der Gewaltkriminalität in stark polarisierten Gesellschaften, wie etwa Brasilien, Südafrika oder Nigeria erreichen oder übersteigen die Auswirkungen kriegerischer Gewalt in zahlreichen Kriegen der Gegenwart. Die Gewaltsteuerung transnationaler Netzwerke zum Beispiel des Drogen-, Waffen- oder Menschenhandels ist zwangsläufig entterritorialisiert, an beliebigen Punkten der Transaktionsketten kann es notwendig werden, mit "regulativer Gewalt" Störungen bei der Zirkulation von Waren und Geld zu begegnen. Am Beispiel von Drogenkartellen ist dies am besten dokumentiert. Vom Anbau bis zum Endverbraucher oft über zahlreiche Zwischenstationen quer über alle Kontinente gilt es, bei Bedarf mit Gewalt, das Netzwerk zu schützen.

Zur Funktionslogik wirtschaftskrimineller Netzwerke gehört es auch, daß sie die Existenz der regulären Märkte nicht gefährden dürfen, denn nur wenn das Einschleusen in sie gelingt, können sie die Erträge ihres kriminellen Tuns realisieren. Dies macht die angesprochene Symbiose der beiden Globalisierungsprozesse aus. Daher wird man auch an die Rolle von sogenannten Warlords differenzierter herangehen müssen. Denn wenn Warlords wirtschaftlich notwendig in transnationalen Räumen operieren, dann stellt sich die Frage, ob die sich daraus ableitende übergreifende Netzwerklogik nicht schließlich die ursprüngliche Gewaltlogik determinieren muß. Weiterführend ist zu fragen, ob das nicht zu einer Entterritorialiserung bzw. Transnationalisierung der Gewaltlogik führen muß. Denn jeder Warlord muß seine Gewaltlogik so kalibrieren, daß die Austausch- und Geldwaschsphären mit der regulären Ökonomie nicht gefährdet werden.

Was als nicht endende Kriege erscheint, ist möglicherweise ein systemisches Merkmal und man sollte allgemeiner von Gewaltunternehmern sprechen. Denn es könnte sich herausstellen, daß die dominanten Gewaltunternehmer längst der Logik transnationaler Netzwerke folgen und nicht länger ein territoriales Ziel verfolgen. Wir hätten es dann mit einer Diffusion der Kriege in die transnationalen Operationsräume krimineller Netzwerke zu tun, sie transformieren sich in "regulative Gewalt". Kriege verlieren damit ihr Schlachtfeld, werden entterritorialisiert. Das viel zitierte Konstrukt "neue Kriege" erwiese sich dann als transitorische Erscheinung auf dem Wege einer weitgehenden Diffusion kriegerische Gewalt, die nurmehr als regulative Gewalt fungiert, weitgehend gebunden an die Logik transnationaler wirtschaftskrimineller Netzwerke, die sich im Kontext des neoliberalen Globalismus ausbreiten[23].

Für diese These spricht, daß systemische Transformationen z.B. in Brasilien, Rußland und Südafrika mit einer rasanten Steigerung der Mordraten verbunden sind, hinter denen sich ökonomisches Gewaltmanagement in jenen Räumen verbirgt, aus denen sich der schwache Staat als Gewaltmonopolist längst verabschiedet hat. Allgemeiner, die riesigen Räume sozialer Ausgeschlossenheit, die den neoliberalen Globalismus begleiten, kann man zunehmend als Gewaltmärkte beschreiben, deren Steuerung sich aus den Logiken der Schattenglobalisierung ergibt.

Daher schlage ich forschungsstrategisch vor, die Dichotomie Krieg und Nicht-Krieg zu überwinden und gesellschaftliche Gewalt allgemein mit dem Arbeitsbegriff "regulative Gewalt" übergreifend zu differenzieren. Diese Problemfeld muß vor allem die Friedensforschung unbeachtlich dominanter Paradigmen bearbeiten, die in der angelsächsisch dominierten Lehre von den internationalen Beziehungen vorgegeben werden, will sie denn ihre eigenen normativen Vorgaben einlösen und Beiträge zur Einhegung von mit Gewalt ausgetragenen Konflikten leisten.

Fußnoten:

[1] Das von Nils Petter Gleditsch herausgegebene Journal of Peace Research ist eine hartnäckige Bühne, auf der dieses Paradigma in immer neue Varianten aufgeführt wird. Gleditsch selbst hat inzwischen sogar einen mittelbaren Zusammenhang zwischen neoliberaler Öffnung und damit verbundener sozialer Polarisierung und geringerer Wahrscheinlichkeit einer internen kriegerischen Auseinandersetzung mit Hilfe der Kriegsstatistik herausdestilliert. Siehe: Ranveig Gissinger, Nils Petter Gledisch, Havrad Hegre, Globalization and Internal Conflict, available at: www.worldbank.org/research/conflict/papers.

[2] Herfried Münkler, Die neuen Kriege, Reinbek (rowohlt)2002, S.218.

[3] Gantzel, Klaus Jürgen, Meyer-Stamer,Jörg (Hg.) Kriege nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1984, München (Deutsches Übersee Institut) 1986, S.8.

[4] SIPRI, SIPRI Yearbook 2002,Oxford (Oxford University Press) 2002, S.77-80)

[5] Globalization, Growth, and Poverty, A World Bank Research Report, New York (Oxford University Press) 2002; sowie: David Dollar, Aart Kraay, Growth Is Good for the Poor, Journal of Economic Growth i.E.

[6] Das inzwischen umfangreiche und teure internationale Engagement auf dem Balkan kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß EU und UNO den in sie gesetzten Erwartungen zunächst nicht genügt haben.

[7] Der Kalte Krieg basierte auf einer vergleichbaren ideologischen Figur. Der Gegner wurde als totalitärer Akteur gezeichnet. Aber im Gegensatz zum Krieg gegen den Terror besaß der Gegner das Merkmal Territorialität. Durch die Implosion bzw. Selbstauflösung der Sowjetunion konnte so der Kalte Krieg beendet werden, ohne die eigenen Prämissen aufzugeben.

[8] Jean / Rufin Hg.1999 (frz,,1996), Die Ökonomie der Bürgerkriege, Hamburg (Hamburger Edition).

[9] Zur Wirksamkeit von ideologischen Identitätsdiskursen sei darauf verwiesen, daß die Zeitschrift epd-Entwicklungspolitik, die sich sicherlich der kritischen Öffentlichkeit zuordnet, noch im Jahre 2001 zwei Schwerpunktnummern mit dem Titel "Ethnische Konflikte" publiziert hat.

[10] Im Bosnienkrieg hatten einzelne Kriegsparteien internationale Werbeagenturen unter Kontrakt.

[11] In den folgenden Abschnitten sind Textpassagen aus früheren Veröffentlichungen übernommen worden.

[12] Siehe: Guilhem Fabre, Criminal properities, financial crisis and money laundering: The case of Mexico in a comparative perspective, in: UNESCO/UNODCCP, Drug Trafficking, Criminal Organisations and Money Laundering, Paris 2002, chapt.8. S.238ff.

[13] Hierzu: Bayart, François, Ellis, Stephen, Hibou, Béatrice, La criminalisation de l'État en Afrique, Bruxelles (ÉditionsComplexe) 1997.

[14] Für Rio de Janeiro ist das anschaulich dokumentiert in: Cano, Igancio, Letalidade da Açao Policial no Rio de Janeiro, Rio de Janeiro (ISER) 1997. Siehe auch Mawdsley a.a.O.

[15] Neben der Finanzierung der polizeilichen und militärischen Verfolgung von Drogenhandel muß man z.B. in den USA die finanziellen und gesellschaftlichen Kosten für die Unterbringung von 1,2 Millionen Strafgefangenen, die meist langjährig wegen Drogendelikten einsitzen, hinzuzählen. Diese Aufwendungen beeinträchtigen die Bereitstellung öffentlicher Güter, wie Schulen und Ausbildung.

[16] Ein Warnschild an deutschen Postämtern (und nicht nur dort) anerkennt bereits diesen Sachverhalt und verweist potentielle Besucher, die in krimineller Absicht kommen, in zehn Sprachen darauf, daß das Personal keine Möglichkeit hat, das Zeitschloß des Safes zu beeinflußen,

[17] Eine gute Übersicht über die Entwicklung bietet: R.T.Naylor, Wages of Crime, Black Markets, Illegal Finance, and the Underworld Economy, Ithaca (Cornell University Press) 2002.

[18] Hierzu: Michaela Wrong, In the Footsteps of Mr Kurtz, London (The Forth Estate) 2000.

[19] Größenwahnsinnige Architektur verweist immer auf gesellschaftliche Gewaltverhältnisse, auch wenn sie lange verschleiert bleiben.

[20] Serbien, Kosovo und Albanien bieten reiches Anschauungsmaterial in dieser Hinsicht.

[21] Cano, Ignacio, Letalitdade da Açao Policial no Rio de Janeiro, Rio de Janeiro (ISER) 1997; Dowdney, Luke, Crianças Combatentes em Violência Armada Organizada: um estudo de crianças e adolescentes envolvidos nas disputas territoriais das facç_es de drogas no Rio de Janeiro, Rio de Janeiro 2002 (ISER, Vivario) <unter www.desarme.org verfügbar).

[22] So hat der Zoll an den Außengrenzen der EU im Jahre 2000 gefälschte Markenprodukte im Wert von mehr als zwei Milliarden EURO entdeckt, darunter eine halbe Million Pakete Kaugummi und eine viertel Million Päckchen mit Kondomen.

[23] Mark Duffield hat diese kriegsökonomischen Trends ebenfalls beschrieben und spricht von Netzwerkkriegen. Jedoch seien Zweifel angemeldet. Die fortgesetzte Verwendung des Begrifffes Krieg ist problematisch, denn Krieg ohne Territorialität ist ein problematisches Konstrukt. Mark Duffield, Global Governance and the New Wars, The Merging of Development and Security, London (ZED Books)2001.