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letzte Änderung:03.01.2011
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Afghanistan im Dezember 2007

(Übersetzung eines kurzen Artikels von Alain Joxe aus: Le Débat Stratégique 5/2007)

<Alain Joxe lehrt an der EHESS (École des Hautes Études en Sciences Sociales) in Paris. In fünf Sprachen (nicht ins Deutsche) wurde eines seiner letzten Bücher "L’Empire du Chaos" übersetzt. (Siehe Besprechungen auf dieser Internetseite)>

Die Reise von Präsident Sarkozy, verziert mit André Glucksmann als Seelenbalsam ändert absolut nichts an der kleinen Katastrophe des kleinen Krieges in Afghanistan: es handelt sich um eine Niederlage der NATO im Auftrag der Vereinten Nationen. In Kürze wird notwendig eintreten, dass jeder französische Offizier dort einen Einsatz hinter sich gebracht haben wird. Der "Ertrag an Erfahrungen", der mit diesem experimentellen Krieg eng verbunden ist, addiert sich zum Krieg im Irak als Beleg für die Unmöglichkeit eine asymmetrische Intervention in einen Erfolg zu verwandeln, wenn das sozio-ökonomische Schicksal der lokalen Zivilbevölkerung nicht an vorderster Stelle militärischer Vorkehrungen steht. Dieser Krieg kann nicht gewonnen werden, denn er sieht nicht vor, den Frieden auszuhandeln, sondern nur den Feind zu vernichten. Es handelt sich um einen gestaltlosen Feind, der sich aus einer archaischen Koalition von Chiefs der Stämme in den Grenzgebieten, Drogenhändlern und Talibans, die vom pakistanischen Islamismus unterstützt werden, zusammensetzt. Der Gegner existiert nur auf der Grundlage der Präsenz des gemeinsamen Feindes, des amerikanischen Eindringlings. Um seine Bindung zu zerstören, muss man abziehen.

Die Operationen nächtlicher Luftunterstützung, die sich vor den Toren Kabuls und im Süden häufen, sind Übungen militärischer Modernisierung. Aber ihre Wirksamkeit ist eher im Hinblick auf die technische Förderung der neuen Rüstungsindustrie für nächtliche Zielfindung und Satellitensteuerung zu bewerten als im Hinblick auf die positiven Folgen "vor Ort". Das heroische Beharren der Kanadier und der Franzosen sich humanitär und zivil-militärisch betätigen, vermeidet möglicherweise ein bestimmtes Maß an Unpopularität unserer Truppen. Aber die Afghanen stellen Vergleiche an und tendieren dazu, dass die Sowjets es als militärische Wiederaufbauhelfer bei den großen Infrastrukturen viel besser gemacht haben. Den Wiederaufbau und den Frieden zu predigen und zugleich die Vernichtung des Feindes ist ein Widerspruch in sich oder eine Heuchelei. In jedem Falle ist es eine Sackgasse, wie man es auf anderen Schlachtfeldern im Mittleren Osten (Irak, Palästina) beobachten kann.

In Afghanistan macht es der verschiedenartige und nicht klassifizierbare Charakter der Gegner noch viel schwieriger, eine operationalisierbare Definition für den Sieg zu bilden. Die Umstellung der Bauern, die wegen der Zerstörung ihrer traditionellen Wirtschaft ruiniert waren, auf eine Drogenlandwirtschaft zum Überleben verstärkt notwendigerweise die grenzüberschreitende Ausbreitung des Konflikts. Man sieht nicht nur Drogenguerrilleros im Lager der Taliban auftauchen, die früher strenge Anti-Drogentyrannen waren, sondern die Wahrscheinlichkeit, dass in der afghanischen Armee Drogenmilitärs auftauchen, wird zum Alltag. Und diese Korruption kann auch bestimmte Truppen der NATO-VN Koalition befallen.

Das kolumbianische Modell des "Drogenstaates" steht dafür, uns zu warnen, dass, wenn der Staat zersetzt ist, selbst ausländische Militarhilfe von der Drogenkorruption bedroht ist. Ebenso wie in Bogotá und den großen kolumbianischen Städten ist die "erfolgreiche" Befriedung im Umkreis von Kabul ein Ausdruck dafür, dass der Rest des Landes im Schatten einer diversifizierten "militärischen" Anarchie lebt, die sich auf verschiedene terroristische Akteure stützt, die alle wegen der Drogenökonomie auch Agenten des Überlebens der Menschen sind. Daher besitzen sie aus pragmatischen Erwägungen eine lokale Legitimität, die nichts dem zentralen Staat schuldet. Dies befördert die Strategie brutaler Repression der Menschen, die den Krieg ohne Ende erzeugt.

Während Glucksmann arglos schreibt, "wie dürfen Afghanistan keinesfalls verlieren," so als ob wir es erobert hätten, so als ob es sich um das "französische Algerien" handelte, fragt man sich, ob ein perverses Abgleiten voranschreitet, das die als Hilfstruppen eingesetzten europäischen Armeen in einen Kolonialkrieg neuen Typs führt. Dieser hätte nicht die Wiederherstellung des Friedens zum Ziel, sondern die Aufrechterhaltung eines andauernden Krieges, den man als "gerecht" ansieht, weil man dort die gesamte Bevölkerung, die zugleich dem Islamismus und dem Drogenhandel unterworfen ist, als Feind behandelt. Es ist ein Füllhorn für die amerikanische Wahlkampagne, die begierig ist auf einen globalen "Bösewicht" ist, der in einer medialen Anthropologie des Disneylands positioniert ist. Diese Wahrnehmung gilt es in einer Periode zu vermeiden, in der in Frankreich das "neue Weißbuch zur Verteidigung" ausgearbeitet wird.