Dr. Peter Lock
European Association for Research on Transformation e.V.

Überfällig: Haftpflichtpflichtversicherung für private Schusswaffen

Der Umgang mit Schusswaffen und Munition erfordert größte Sorgfalt bei der sicheren Verwahrung und beim Schießen selbst, um eine Gefährdung Dritter oder andere Schäden möglichst auszuschließen. Dies ist der Grund dafür, dass der Staat die Eignung und das Bedürfnis derjenigen prüft, die entweder eine Waffenbesitzkarte oder sogar einen Waffenschein beantragen. Ausschließen kann man dadurch eine missbräuchliche Verwendung mit nicht selten sehr hohen Schadensfolgen nicht.

Bei vielen Schadensereignissen stellt sich heraus, dass die Verursacher bzw. Täter nicht legale Besitzer der verwendeten Schusswaffe waren. Oft aber war die Waffe aus legalem Besitz vorher in illegalen Besitz gelangt. Regelmäßig werden aus der allgemeinen Erregung über Großschadensereignisse, wie Amokläufe, Forderungen nach schärferen Regelungen und Verboten im Waffengesetz laut. Aus den dann folgenden politischen Debatten gehen bestenfalls kosmetische ad hoc-Änderungen des Waffengesetzes hervor. Denn in diesen Debatten verteidigen sich die legalen Besitzer damit, dass die allermeisten von ihnen äußerst verantwortungsvoll mit ihren Waffen umgehen und keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit davon ausgeht. An der Möglichkeit von Großschadensereignissen, die durch missbräuchliche Verwendung von Schusswaffen verursacht werden, ändern derartige Debatten und die periodische Gesetzeskosmetik jedoch nichts.

Bei Schusswaffendelikten oder -unfällen handelt es sich um seltene Ereignisse mit großer Schadenssumme. Häufig übersteigt die Schadenssumme bei weitem das Vermögen, auf das beim Verursacher (Täter) zugegriffen werden kann. Dann gehen die Opfer bzw. Geschädigten entweder leer aus oder aber der Staat bzw. die Steuerzahler müssen die Entschädigung leisten. Gleichzeitig können solche Ereignisse auch die wirtschaftliche Existenz des Verursachers auslöschen.

Das Unfallgeschehen im Straßenverkehr mit vergleichbaren Folgen für Verursacher und Geschädigte hat schließlich vor siebzig Jahren dazu geführt, auch in Deutschland die Kfz-Haftpflichtversicherung zur Pflichtversicherung mit hoher Haftungssumme für den Betrieb eines Kraftfahrzeuges zu machen. Ziel dieser Pflichtversicherung ist es, dem Kraftfahrer die wirtschaftlichen Folgen abzunehmen, die aus der Verwirklichung der Gefahr infolge seiner Teilnahme am Straßenverkehr entstehen können. Sie ist somit ein wichtiger Teil der Daseinsvorsorge und sozialen Sicherung im weiteren Sinne. Diese Absicht des Gesetzgebers macht es zwingend, dass die Haftpflicht für das versicherte Fahrzeug abgeschlossen und sich nicht auf einen Fahrzeugführer bezieht. Im Gegensatz hierzu deckt die vorgeschriebene Jagdhaftpflichtversicherung nur die vom Versicherungsnehmer verursachten Schäden ab.

Viele Gründe sprechen dafür, versicherungsrechtlich bei privatem Schusswaffenbesitz ähnlich zu verfahren, wie vor siebzig Jahren im Falle der Risiken, die sich aus der Nutzung vom Kraftfahrzeugen ergeben. Damals hatten bereits viele Verkehrsteilnehmer eine persönliche Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Aber damit waren die gesellschaftlichen Risiken des Straßenverkehr nicht abgedeckt. Hierzu erwies sich eine Pflicht zur Haftpflichtversicherung aller Kraftfahrzeuge als notwendig. Summiert man allein die Schäden der Amokläufe der jüngeren Vergangenheit auf, so scheint es dringend geboten, eine Pflicht zur Haftpflichtversicherung zur Voraussetzung von jeglichem privatem Waffenbesitz gesetzlich vorzuschreiben.

Einwänden dahingehend, dass der Staat nicht berechtigt sei, eine Pflicht zur Haftpflichtversicherung von privaten Schusswaffen einzuführen, widerspricht die herrschende Auslegung des Grundgesetzes. So führt u.a. Müringer im Kommentar zur Kfz-Haftpflicht aus: "Eine staatlich verordnete Versicherungspflicht begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Artikel 2 Abs.1 GG ist nicht verletzt. Der Staat entspricht nur seiner Ermächtigung und Verpflichtung zur sozialgestaltenden Lenkung"[1].

Es ist also an der Zeit, energisch die sozialgestaltende Lenkung im Falle des privaten Schusswaffenbesitzes vom Gesetzgeber in Form der Einführung einer Haftpflichtversicherungspflicht zu fordern. Die erforderlichen Tarife für die unterschiedlichen Gruppen privater Waffenbesitzer werden im Rahmen versicherungswirtschaftlichen Wettbewerbs zu ermitteln sein. Dabei ist es wichtig, dass die Waffe und nicht allein der Halter haftpflichtversichert sein wird. Denn es liegt im allgemeinen Interesse, dass zumindest der Opferschutz auch dann gewährleistet ist, wenn der Verursacher nicht legaler Besitzer der Tatwaffe war. Daraus ergibt sich ein eminentes Interesse der Versicherer dahingehend Druck auszuüben, dass die Risiken des Versickerns versicherter Waffen in illegale Kanäle minimiert werden. Daher wäre mit Druck seitens der Versicherungsindustrie auf die Waffenbesitzer mit dem Ziel zu rechnen, die Verwahrung der legalen Waffen sorgfältiger zu betreiben. Wahrscheinlich würde ein massiver Anreiz in Form der Höhe der Versicherungsprämien entstehen, alle Waffen mit einer biometrischen Sicherung auszurüsten. Man kann dies  vergleichen mit Einführung elektronischer Wegfahrsperren bei Kraftfahrzeugen, die auch von der Versicherungsindustrie in wenigen Jahren zur gesetzlichen Norm bei Neufahrzeugen gemacht wurden.

Schließlich erhöht die ökonomische Bemessung des von legalem Waffenbesitz ausgehenden Risikos in Form von Haftpflichtversicherungsprämien die Kosten des Waffenbesitzes und führt möglicherweise auf diesem Weg zu anderen Güterabwägungen im Hinblick auf die Vorhaltung von legalen Kleinwaffen.

Angesichts der eindeutigen Sachverhalte, die eine solche Versicherungspflicht geboten sein lassen, stellt sich eigentlich die Frage, wie die unterschiedlichen Interessenverbände privater Waffenbesitzer eine Diskussion über die gebotene Versicherungspflicht bislang verhindern konnten. Das Vorhaben der Einführung einer Versicherungspflicht sollte umgehend und vor allem vor dem nächsten Amoklauf auf die Tagesordnung des Gesetzgebers gebracht werden. Dabei wäre es wichtig, den Sachverstand und das Interesse der Versicherungsindustrie in einem sehr frühen Stadium in die Diskussion einzubeziehen.

Peter Lock

Fußnoten

[1] Müringer, Alfred: Kommentar zur Pflichtversicherung in der Kfz-Haftpflichtversicherung, Karlsruhe 1999, S. 4.