Dr. Peter Lock
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letzte Änderung:03.01.2011
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Notiz zur Rolle privater Militärfirmen in gewaltsamen Konflikten

Vorbemerkung

In verschiedenen Medien wird eine Debatte über private Militärfirmen intensiv geführt. Die Sozialwissenschaften stehen am Anfang eines Diskurses, der von teilweise alarmistischen Einschätzungen, die in diesen Firmen eher eine moderne Form des Söldnertums sehen, einerseits und voreiliger pragmatischer Akzeptanz dieser Unternehmen als geeignete Leistungsanbieter im Bereich der wachsenden Anforderungen für Peacekeeping andererseits gekennzeichnet ist. Diese Aufmerksamkeit hat dazu geführt, dass inzwischen hinreichende Informationen über die wesentlichen wirtschaftlichen und politischen Parameter dieses relativ neuen Wirtschaftssektors verfügbar sind. Während die einen in der rasanten Expansion dieses Sektors eine grundsätzliche Aufweichung des staatlichen Gewaltmonopols sehen und ein Instrument, das zwangsläufig der politischen Kontrolle zu entgleiten droht, halten es die anderen lediglich für notwendig, das Völkerrecht dahingehend weiter zu entwickeln, dass diese Unternehmen als schon beinahe unverzichtbare Instrumente für die Stabilisierung der internationalen Ordnung verbindlichen Normen unterworfen werden.

Obwohl private Militärfirmen in Deutschland bislang nicht auffällig geworden sind, ist die Politik unmittelbar gefordert, sich gegenüber der scheinbar unaufhaltsamen Expansion privater Militärfirmen zu positionieren. Die bisherigen Debattenbeiträge greifen überwiegend zu kurz, um auf ihrer Grundlage sich bereits endgültig in die eine oder die andere Richtung zu bewegen. Dieser Debatte mangelt es u.a.:

  • an einer Berücksichtigung der absehbaren Entwicklungstendenzen bewaffneter Konflikte aufgrund der laufenden tiefgreifenden Transformation des menschlichen Habitat und der sich daraus ergebenden militärischen und politischen Anforderungen.
  • an der Einordnung privater Militärfirmen in die Vorgeschichte dieser Entwicklung im 20. Jahrhundert.
  • an einer präzisen typologischen Analyse der (zahlungsfähigen) Nachfrage nach privaten militärischen Dienstleistungen und deren Rückwirkung auf die perspektivische Leistungsfähigkeit des Staates als Erbringer des öffentlichen Gutes Sicherheit.
  • an einer Analyse der betriebswirtschaftlichen Grundlagen dieser Unternehmen, vor allem der Elastizität des Arbeitskräftemarktes und der Ausbildung des benötigten Humankapitals, mit anderen Worten den strukturellen Restriktionen auf der Angebotsseite.
  • an einer kritischen Durchleuchtung der aktuellen Leistungsprofile von nationalen Streitkräften und deren bürokratisch-korporatives Beharrungsvermögen. Es hat bezogen auf die aktuellen Aufgaben zu enormer Ineffizienz geführt, die ihrerseits Teile der aktuellen Nachfrage nach privaten Anbietern überhaupt erst provoziert hat.
  • schließlich an einer präzisen funktionalen Differenzierung der Aufgabenbereiche im Zusammenhang mit Peacekeeping-Aktivitäten und bei der Rekonstruktion von Staatlichkeit und deren Zuordnung zu möglichen bzw. den geeignetsten Leistungserbringern. Erst auf der Basis eines solchen Anforderungsprofiles kann man realitätstüchtige Entscheidungen über institutionelle Zuordnungen von Aufgaben treffen.

Im folgenden wird der Versuch unternommen, sich einigen dieser Defizite überwiegend beschreibend zu nähern, was freilich zunächst nur auf die Notwendigkeit systematischer Analysen verweisen kann, aufgrund derer tragfähige Richtungsentscheidungen der Politik erst möglich werden.

Globaler sozialer Wandel und gewaltsame Konflikte: Entwicklungstendenzen

Die menschliche Lebenswelt ist irreversibel von Urbanisierung und Marktorientierung und Industrialisierung der Landwirtschaft geprägt. Nur in Ausnahmefällen hat die relative reproduktive Autonomie von bäuerlichen Lebenswelten noch Bestand. Damit ist tendenziell der größte Teil der Weltgesellschaft durch infrastrukturelle Störungen, die kaum vermeidbar durch kriegerische Handlungen ausgelöst werden, und die damit verbundenen Unterbrechungen des Warenflusses unmittelbar und in kurzer Frist in seiner Überlebensfähigkeit bedroht. Dies gilt in besonderem Maße für die mehr als einhundert im Entstehen begriffenen Megastädte, deren atemberaubende Expansion durch die weltweite Auflösung bäuerlicher Lebenswelten vorangetrieben wird. Dieser globale soziale Wandel bzw. Modernisierung reduziert die "Überlebenselastizität" von Gesellschaften erheblich, denn im Falle von schweren infrastrukturellen Störungen verlieren sie die Fähigkeit, die Subsistenz im lokalen Umfeld zu sichern. Gleichzeitig verschwinden jene Lebenswelten, in denen revolutionäre Ideologien den Einsatz von Gewalt zum Umsturz zu organisieren können glaubten und damit in der Regel wenig erfolgreiche bewaffnete innergesellschaftliche Konflikte ausgelöst haben[1].

Die strukturelle Minderung von gesellschaftlicher "Überlebenselastizität" als Folge gesellschaftlicher Modernisierung kann man auch als Tendenz zu struktureller Unfähigkeit traditioneller territorialer Kriegsführung interpretieren. Denn territorial geführte Kriege müssen unter den Bedingungen von Modernität tendenziell unmittelbar in totale humanitäre Katastrophen umschlagen. Dabei handelt es sich nicht mehr nur um den kettenreaktionsartigen Verlust von "entitlements", wie dies von Amatya Sen im Zusammenhang von Hungerkatastrophen beschrieben worden ist, sondern der Zusammenbruch der Warenzirkulation führt in kürzester Frist zu einer absoluten Versorgungskrise, von der alle betroffen sind. Die sozialen Strata, in denen die Menschen "just in time" ihre Subsistenz organisieren, stellen die Mehrheit der Bevölkerung in vielen Ländern der Dritten Welt. Aber auch privilegierte Schichten geraten in kurzer Frist in eine absolute Versorgungskrise, wenn z.B. die Stromversorgung zusammenbricht, die für die Aufbewahrung der Versorgungsvorräte und deren Aufbereitung unverzichtbar ist.

Diese Hypothese ist u.a. daran zu testen, ob es in Ländern, in denen bewaffnete Gewalt von der Politikwissenschaft und der internationalen Gemeinschaft als Krieg interpretiert wird, vormodern verfasste Regionen oder zumindest hybride Reproduktionsstrukturen[2] gibt. Eine genaue Durchleuchtung der gegenwärtigen Kriege mit Blick auf diese Hypothese erbrächte Erkenntnisse über den Formenwandel instrumenteller Gewalt.

Vor allem der Irakkrieg lenkt von dieser strukturellen Entwicklungstendenz ab, weil es sich um einen Krieg in einem modernen, wenngleich ökonomisch heruntergewirtschafteten Land handelt. Tatsächlich aber war die zentralverwaltungswirtschaftliche Organisation der Grundversorgung der gesamten irakischen Bevölkerung durch das VN- Programm "Öl gegen Lebensmittel" über viele Jahre hinweg die Voraussetzung dafür, dass der amerikanische Angriff keine umgehende "totale" humanitäre Katastrophe ausgelöst hat. Die angreifende Streitmacht war gänzlich von der völkerrechtlichen Verpflichtung entlastet, die Grundversorgung der Zivilbevölkerung zu gewährleisten. Die in Nachbarländern hastig eingerichteten Flüchtlingslager blieben leer. Das VN-Programm hatte die irakische Bevölkerung in Erwartung des Krieges für Wochen vorab mit den ihnen zustehenden Lebensmitteln versorgt.

In wahrscheinlich fast jedem anderen Land, in dem die Grundversorgung durch funktionierende Märkte erfolgt, wäre eine "totale" humanitäre Katastrophe eingetreten, weil die zum Leben in der Moderne notwendige "just in time" Warenzirkulation zum (Über)Leben massiv gestört werden würde und zumindest der untere, in der informellen Ökonomie lebende Teil der sozialen Pyramide sofort seine "entitlements" (A..Sen) verlöre. Gleichzeitig haben die ländlichen Räume als traditionelle Zufluchtsorte nahezu vollständig ihre Absorptionsfähigkeit zur Sicherung von Überleben[3] verloren, weil als Folge der Modernisierung die heutigen Produktionsweisen auf ständigen Zufluss von Inputs angewiesen sind und die weitgehende Produktspezialisierung keine Grundversorgung mehr hergibt.

Diese eindeutige Tendenz hin zu struktureller Unfähigkeit zu territorialer Kriegsführung führt zu einer Transformation gewaltförmigen gesellschaftlichen Konfliktaustrages, die sich wahrscheinlich in Entterritorialisierung und Diffusion der Formen bewaffneter Gewalt niederschlagen wird. Gegenwärtige Anzeichen hierfür sind vor allem: Der verdeckte Einsatz von "special forces" der Vereinigten Staaten in über sechzig Ländern, er wird unwidersprochen in der einschlägigen Fachliteratur kolportiert; die hohe Zahl der Opfer bewaffneter Gewalt in zahlreichen Megastädten der Welt. Sie übersteigt entsprechende Zahlen für bewaffnete Konflikte, die international als Kriege wahrgenommen werden. Daher bedeutet eine Verminderung der registrierten Kriege nicht notwendig eine Abnahme bewaffneter Gewalt. Es handelt sich vielmehr um eine Transformation, in der "regulative Gewalt" eine dominante Rolle spielt. Aus dieser Entwicklung ergeben sich zwangsläufig vielfältige Arbeitsfelder für private Anbieter legaler oder illegaler polizeilicher und militärischer Dienstleistungen, die subsidiär staatliche Organe unterstützen oder aber jenseits des staatlichen Gewaltmonopols neue Formen privatisierter Gewalt ausbilden.

Vorläufer in der jüngeren Vergangenheit

Das Ende von Kriegen setzt qualifiziertes Militärpersonal frei, das regelmäßig weltweit nach neuer Beschäftigung im erlernten Beruf sucht, bevor es sich auf die beschwerliche Suche nach einer zivilen Beschäftigung als "ungelernter" Anbieter auf dem Arbeitsmarkt macht.

So übernahm bereits von Seeckt, der Gründer der Reichswehr, kaum im Ruhestand die Leitung eines Militärunternehmens deutscher Offiziere des 1.Weltkriegs, das im chinesischen Bürgerkrieg auf der Seite Tschiang Kaischeks Truppen ausbildete, militärische Operationen plante, Kruppkanonen verkaufte und als Bezahlung strategische Rohstoffe, wie Wolfram, für die im Deutschen Reich langsam wieder expandierende Rüstungsindustrie importierte.

Nach dem 2. Weltkrieg verdingten sich deutsche Offiziere u.a. in Ägypten und Argentinien, während das Fußvolk der Waffen-SS, darunter viele "volksdeutsche" Männer aus Mitteleuropa, bei der französischen Fremdenlegion sein Heil suchte.

Unternehmerisch organisiert tauchten die kampferprobten Krieger des Apartheidregimes nach dessen Ende in den bewaffneten Konflikten in Angola und Westafrika als leistungsfähige Anbieter von militärischen Dienstleistungen auf, auf die sie zur Apartheidzeit im Rahmen der südafrikanischen Doktrin der Abwehr des (kommunistischen) "total onslaught" militärisch und geheimdienstlich bestens vorbereitet waren.

Der Zerfall der Sowjetarmee schließlich hat viel militärisches Fachpersonal freigesetzt, das allerdings nur zu einem sehr kleinen Teil fähig war, sich unternehmerisch auf dem Weltmarkt anzubieten. Dieser Teil jedoch hatte sich im Zusammenspiel mit kriminellen Unternehmern in den Besitz von militärischen Fluggerät aus sowjetischen Beständen gebracht und erwies sich vor allem auf dem afrikanischen Kontinent als leistungsfähiger Anbieter illegaler logistischer und militärischer Dienstleistungen und Waffenlieferungen unterschiedlichster Art,

Das Zusammenspiel von Nachfrage nach leistungsfähigem militärischem Personal und dessen Freisetzung als Folge von beendigten Kriegen und der Reduzierung von Streitkräften hat jeweils zur Formierung von Unternehmen geführt, die man als private militärische Unternehmen bezeichnen kann.

Eine andere Variante international agierender nicht-staatlicher Anbieter militärischer Arbeitskraft hat sich parallel herausgebildet. Ursprünglich von der Trias CIA, pakistanischer Geheimdienst und dem Hause Saud mobilisiert, finanziert und ausgerüstet, um die Sowjetunion aus Afghanistan zu vertreiben, suchten nach 1990 zehntausende "Jihadis" nach neuen Betätigungsfeldern u.a. in Bosnien, Tschetschenien und nun im Irak oder kehrten als gewaltbereite Akteure in ihr Heimatland zurück.

Im Falle der "Jihadis" handelt es sich um meist unausgebildetes Personal, das im Heimatland marginalisiert war und keine Chancen politischen Wandels sah. Es landet in einer nahezu ausweglosen Situation, in der einzig eine fundamentalistische Weltveränderungsverheißung als Ziel handlungsleitend wird, bei dem Grenze zwischen der diesseitigen Gesellschaftswelt und dem vorgestellten Jenseits[4] verschwimmt. Durch Beteiligung an niedrigschwelligen militärischen und terroristischen Aktionen gegen die USA als Hegemonialmacht versucht man, vor allem die verhassten Regime in islamischen Ländern  zu destabilisieren, die man als Lakaien des amerikanischen Imperialismus wahrnimmt.

Schließlich wäre aber auch auf hybride militärische Formationen zu verweisen. Die alten Kolonialmächte Frankreich und das Vereinigte Königreich haben militärische Formationen unterhalten, die man als institutionelle Vorläufer der Privatisierung interpretieren kann. Mit der Fremdenlegion einerseits und den Ghurka - Regimentern anderseits hielt man militärische Schocktruppen[5] vor, die dem politischen Gesichtsfeld der eigenen Gesellschaft entrückt waren. Ihre Rekrutierung lag weitgehend außerhalb demokratischer Kontrolle. Diese Soldaten waren bzw. sind willfährige, zudem relativ preiswerte Subjekte, rechtlich 2. Klasse, die so gut wie keinen Zugang zur französischen oder britischen Rechtsordnung hatten, eingesetzt als öffentlich-rechtliche Militärunternehmen in >freien Produktionszonen< kolonialer Gewalt und zu postkolonialer Kontrolle von Einflusssphären.

Grenzen und Widersprüche des Marktes

Die Privatisierung von militärischen Dienstleistungen in den Bereichen Kampfeinsätze, Beratung und Ausbildung und hochspezialisierten Dienstleistungen fügt sich in die gegenwärtige Orthodoxie der Regulation ein, die unterstellt, dass der Markt die vom Staat erstrebten Leistungen kostengünstiger organisiert, als es die historisch entwickelte staatliche Vorhaltung der benötigten Leistungserbringer vermag.

Daher kann man bis auf weiteres von einer steigenden Nachfrage nach privaten Militärunternehmen ausgehen, durch Industrienationen, allen voran die USA und Staaten der Dritten Welt, soweit sie zahlungsfähig sind, aber auch von großen international operierenden Unternehmen, die ihre Anlageinvestitionen schützen lassen. Und zwar unabhängig davon, ob als zusätzliche Motive knappe staatliche Haushalte oder die Absicht der Verschleierung von Beteiligung die Privatisierung vorantreiben. Daher stellt sich spätestens in naher Zukunft die Frage, wird dieser Industriezweig einer weiter steigenden Nachfrage gewachsen sein? Ökonomisch ausgedrückt, wie groß ist die Angebotselastizität dieser Branche? Besonders im Segment Kampftruppen bewegt sich die "Halbwertzeit" der Anbieter von qualifizierter Arbeitskraft nach dem Ausscheiden aus einer berufssoldatischen Karriere bestenfalls im Bereich von fünf Jahren. Das Verschwinden der südafrikanischen Anbieter in diesem Segment ist daher wahrscheinlich weniger der verschärften südafrikanischen Gesetzgebung als dem Austrocknen bzw. Älterwerden des einsetzbaren Humankapitals geschuldet, das noch vom Apartheidregime hervorgebracht worden war.

Sobald die freigesetzten Potenziale aus den Industriestaaten, einschließlich des Sonderfalls Südafrika nach dem Fall der Apartheid, ausgeschöpft oder die ausgebildeten militärischen Fachkräfte das Alter ihrer militärischen Verwendbarkeit überschritten haben, ergibt sich die Frage, ob dieser steigende Bedarf an ausgebildetem Personal auf das unterbezahlte militärische Personal in zerfallenden und schwachen Staaten zurückgreift und Personal abwirbt, das nicht selten an den Militärakademien der Industrieländer[6] ausgebildet worden ist?

Sollte sich dieses Personal tatsächlich auf diesem Markt anbieten, dann stellt sich zum einen die Frage, ob diese denkbare Angebotsreserve hinreicht, den prognostizierten Bedarf zu decken, zum anderen wäre ernsthaft zu prüfen, ob es sich dabei nicht um eine Problembeschleunigung und damit Nachfragestimulierung auf dem Markt privater militärischer Dienstleistungen handeln würde. Denn die Abwerbung von militärischem Personal, vermutlich von Leistungsträgern, durch private militärische Unternehmen, die vor allem auf die Nachfrage im Bereich internationales Peacekeeping reagieren, würde die Leistungsfähigkeit von Staatlichkeit in Staaten der Dritten Welt schwächen und möglicherweise zu weiteren Problemzonen und damit zur Markterweiterung für die Anbieter privater militärischer Dienstleistungen führen. Eines daher macht diese Überlegung zumindest deutlich, die gegenwärtig herrschende Marktorthoxie ist weit davon entfernt, in diesem Feld eine optimale Allokation insgesamt verfügbarer Ressourcen zu generieren.

Für eine realitätstüchtige Beantwortung dieser Fragen ist es zunächst sinnvoll, nach den oben erwähnten drei Bereichen militärischer Dienstleistungen zu differenzieren

Im Hochtechnologiebereich ist die Halbwertzeit von Know how aufgrund des enormen Innovationstempos sehr kurz. Militärische Hochtechnologie beruht zunehmend auf zivilen Entwicklungen, die auf dem globalen Markt durch den Wettlauf um Zeitmonopole durch Innovation hervorgebracht werden. Daher gibt es zum Einsatz ziviler Spezialisten der Technologiehersteller wenig Alternativen. So wurden die im Irak eingesetzten Drohnen der jüngsten Generation, wie der Predator, durch ziviles Personal der Hersteller im Einsatz geführt. Denn die bürokratischen Karrieren nationaler Streitkräfte erlauben es kaum, zu angemessenen Kosten mit den technologischen Anforderungen von Spitzentechnologien Schritt zu halten, die im militärischen Bereich zum Einsatz kommen. Aus diesem Sachverhalt ergeben sich unausweichlich schwierige kriegsvölkerrechtliche Probleme des Status dieser unmittelbar an Kampfhandlungen beteiligten Zivilisten, die hier aber nicht behandelt werden können.

Im Bereich Beratung und Ausbildung sind die "Halbwertzeiten" nach Beendigung einer militärischen Karriere nicht ganz so knapp bemessen, wie bei Kampftruppen. Dabei handelt es sich immer um den "kostenlosen" Transfer von "militärischer Software" des Landes, in dem das Personal seine Qualifikation erworben hat, durch ein privates Unternehmen, das diese "Software" zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil in Wert setzt. In Fällen, in denen diese Unternehmen im Rahmen der Schattenaußenpolitik des Landes tätig werden, in dem sie ihr Personal rekrutieren, handelt es sich lediglich um einen privatwirtschaftlich organisierten Transfer der "Software" durch den Eigentümer. Die Tätigkeit von MPRI in Kroatien kommt diesem Modell am nächsten. In allen anderen Fällen wird steuerfinanziertes Humankapital von privaten Unternehmen angeeignet. Die damit generierte Dienstleistung wird in den meisten Fällen wiederum dem Steuerzahler, der das Peace keeping bezahlt, mit dem Ziele Gewinne zu erzielen, verkauft. Denn noch stellen die nichtstaatlichen Nachfrager nach militärischen Dienstleistungen nur einen geringen Anteil der gesamten Nachfrage.

Die Abgrenzung des Bereiches "Kampftruppen" ist spätestens seit dem Irakkrieg sehr schwierig. Bis dahin schien dieses Geschäftsfeld eher die Ausnahme zu bilden, weil es schwierig und teuer ist, und zu massiven internationalen Gegenreaktionen führen kann, die das Unternehmensziel Gewinne zu erwirtschaften, erheblich beeinträchtigen können. Im Irak scheinen private Unternehmen ziemlich direkt in militärische Aufgaben eingebunden zu sein, die sich weder dem Hochtechnologiebereich zuordnen lasssen, noch dem Bereich Beratung und Ausbildung zugeschlagen werden können. Problematische Logistik, Gefangenenbefragung unter fragwürdigen Umständen, unmittelbare Kampfunterstützungshandlungen sind bislang bekannt geworden. Vor allem bei Rohstoffkonzernen als nicht-staatliche Auftraggeber ist die Abgrenzung der tatsächlichen Arbeitsfelder privater Militärunternehmen fließend und schließt verdeckte militärische Kampfhandlungen ein. Wegen der politischen Risiken in diesem Bereich dürften sich in diesem Geschäftsfeld eher marginale Anbieter tummeln, die weder viel Kapital noch einen Ruf zu verlieren haben. Es steht zu vermuten, dass es eine Grauzone gibt, in der die Abgrenzung zum Söldnertum schwierig ist. Ferner gibt es eine Diskussion über die Verlässlichkeit des Personals von privaten Militärunternehmen in Kampfsituationen, auf die hier nicht eingegangen wird.

Ausbildung, Rekrutierung und Wirtschaftliche Parameter

Der kalkulatorische Wettbewerbsvorteil privater Militärfirmen gegenüber staatlich verfassten Leistungserbringern ergibt daraus, dass sich zum einen Zeitkontraktarbeitsverhältnisse und Lebenszeitarbeitsverhältnisse gegenüberstehen und zu anderen aber haben die derzeitigen Anbieter von militärischen Dienstleistungen im engeren Sinne so gut wie keine Ausbildungskosten. Die Steuerzahler in dem jeweiligen Herkunftsland haben in der Regel für die Ausbildung bezahlt. Ansonsten gelten gleichfalls alle für das Outsourcing gültigen betriebswirtschaftlichen Kalküle, wie z.B. Beschränkung auf ein enges Leistungssegment und damit schmale Qualifikationsprofile, während es in der bisherigen Logik hierarchischer militärischer Apparate liegt, dass das Personal flexibel in verschiedenen Funktionen einsetzbar ausgebildet und vorgehalten wird.

Wie oben erwähnt, stammt das Rekrutierungspotenzial der privaten Militärunternehmen zum einen aus freigesetztem Militärpersonal nach Beendigung von Kriegen (z.B.: auch Ende der Apartheid), zeitlich begrenzten Karrieren in Berufsarmeen[7], Umstrukturierung von Streitkräften (z.B.: auch der Übergang von Wehrpflichtarmee zu Berufsarmee) und schließlich der finanziellen Abwerbung von ausgebildetem Militärpersonal.

In jedem Falle vereinnahmen diese Unternehmen mit öffentlichen Geldern gebildetes Humankapital. Ob diese Unternehmen sich halten können, wenn die Ausbildungskosten voll Teil ihres unternehmerischen Kalküls sein werden, läßt sich noch nicht sagen. Jedoch ist hier Skepsis geboten, vor allem angesichts starker Tendenzen, einen eindeutigen rechtlichen Rahmen zu schaffen, um das Peacekeeping an private Militärunternehmen zu vergeben. Die Abwägung seitens vieler OECD-Staaten das Peacekeeping an vermeintlich leistungsfähige und kostengünstige private Militärunternehmen zu vergeben, bedarf einer genauen Prüfung auf einer langen Zeitachse und einer breit angelegten Kosten-Nutzen Analyse seitens der Staaten, die die Mittel für den Einsatz dieser Unternehmen aufbringen.

Ausbildungsmängel und mangelhafte Prüfung der (moralischen) Eignung wurden bislang im "Nebel des Krieges" verdeckt. Völkerrechtswidrige Handlungen bleiben undokumentiert oder unverfolgt. Bei mangelhafter Leistungserbringung dürften der öffentliche Auftraggeber und das Unternehmen ein gemeinsames Interesse entwickeln, den Sachverhalt[8] zu vertuschen. Für eine wirkliche Bemessung der Leistungsfähigkeit und insbesondere der Nachhaltigkeit der erbrachten Leistungen fehlt es bislang sowohl an einer hinreichenden empirischen Basis als auch an eindeutigen allgemeinen Kriterien. Zu sehr stand bislang das Kalkül im Vordergrund, durch Vergabe von Aufträgen für Einsätze im Ausland an private Militärunternehmen den Einsatz der eigenen Streitkräfte zu vermeiden oder das politische Profil abzusenken. Die Aneignung von Humankapital, das mit Steuergeldern gebildet wurde, war, wie oben bereits erläutert, oft durch regierungsseitiges Interesse abgedeckt. In allen anderen Fällen ist aber die gesamtwirtschaftliche Logik dieser Privatisierung  zu hintergefragen.

Denn in dieser recht kurzatmigen Diskussion ist die Option einer direkten Rekrutierung von freigesetztem oder verfügbarem militärisch qualifiziertem Militärpersonal durch die Vereinten Nationen noch überhaupt nicht geprüft worden. Dass eine derartige Vision im Zeitalter neoliberaler staats- und VN-feindlicher Regulationsideologie nicht präsent ist, spricht nicht grundsätzlich gegen sie. Auch die fehlerbehafteten bisherigen Missionen der Vereinten Nationen sprechen nicht dagegen, denn eine der größten strukturellen Schwächen von UN-Friedensmissionen unter Beteiligung von Militärpersonal aus verschiedenen Ländern liegt in ihrer mangelnden Kohärenz und eingeschränkten Handlungsfähigkeit[9]. Die Missionen sind regelmäßig von den unterschiedlichsten Vorbehalten der verschiedenen beteiligten Nationen geprägt und daher nur beschränkt handlungsfähig. Wenn hingegen die Vereinten Nationen benötigtes Militärpersonal anstelle privater Unternehmen direkt unter Kontrakt nehmen könnte, dann wären Kohärenz und Handlungsfähigkeit gewährleistet.

Für die Mitgliedsstaaten sollte es attraktiv sein, darüber nachzudenken, dass sie das von ihnen gebildete steuerfinanzierte Humankapital statt der Verwertung einer privaten Industrie, die sie selbst bezahlen, in einem Pool unter dem Dach der Vereinten Nationen organisieren und dessen Einsatz in Friedensmissionen finanzieren. Damit würden Teile der Charta endlich ausgefüllt, die der Kalte Krieg absolut blockiert hatte. In einer breiter angelegten Kosten-Nutzen Rechnung ließe sich ermitteln, ob die privaten militärischen Unternehmen tatsächlich so attraktive Erbringer benötigter militärischer Dienstleistungen sind, wenn man sie am Modell einer kohärenten UN-Rekrutierung misst.

Privatisierung der Sicherheit bedingt die pirvatisierung militärischer Funktionen

Die institutionellen Verschiebungen im Kontext vieler schwacher Staaten und der aktuellen regulativen Orthodoxie drohen eine Entwicklung zu sanktionieren, die das durch das staatliche Monopol legitimer Gewalt beförderte öffentliche Gut Sicherheit auflöst zugunsten ungleicher, kleinräumlich privat generierter "Patchwork Sicherheit". Sie tritt an die Stelle des für das ganze nationale Territorium gültigen staatlichen Gewaltmonopols. Der Zerfall staatlicher Kapazitäten, öffentliche Sicherheit zu gewähren, führt dazu, dass leistungsfähige Akteure mit Hilfe privater Dienstleister, die häufig identisch sind mit unterbezahlten Angehörigen der staatlichen Sicherheitsorgane. ihren Bedarf an Sicherheit decken und das Interesse an Sicherheit als öffentliches Gut weitgehend verlieren. Derartige Prozesse entwickeln eine Eigendynamik. Als Folge können die Menschen des unteren Teils der sozialen Pyramide, die in der informellen Ökonomie ihr (Über)Leben organisieren, sich um ihrer Sicherheit willen nicht dem Racket entziehen.

In zerfallenden Staaten und im Kontext gesellschaftlicher Fragmentierung im Prozess systemischer Transformation, vor allem in Russland, haben sich dominante Wirtschaftsakteure zu privaten Nachfragern polizeilicher und militärischer Sicherheitsdienstleistungen entwickelt. Gazprom, der russische Riesenkonzern, unterhält eine Truppe von 30 000 Personen Sicherheitspersonal, die aus den Streitkräften und den Geheimdiensten abgewandert sind. BP hingegen hat für den Schutz von Ölleitungen in Kolumbien schon sehr früh ein privates Militärunternahmen unter Vertrag genommen, das zusätzlich die Aufgabe hatte, kolumbianische Soldaten für diese Aufgabe auszubilden. Westliche Ölkonzerne auf Aceh haben die lokalen Regimenter der indonesischen Armee verdeckt auf ihre Gehaltsliste genommen, um so die sichere Förderung zu gewährleisten. Vieles spricht dafür, dass sich derartige Strukturen an den verschiedensten Orten ausbreiten, weil zerfallende Staatlichkeit die öffentliche Sicherheit unzureichend bereitstellt, so dass die private Produktion von Sicherheit zur Produktions- und Lebensvoraussetzung wird. Daher ist die private Sicherheitsindustrie insgesamt die Branche mit den weltweit höchsten Wachstumsraten.

Daraus ergäbe sich eine Perspektive, die durchaus Vorläufer hat und keineswegs undenkbar ist. Der Einsatz von Paramilitärs (AUC) in Kolumbien oder Todesschwadronen im Auftrag informeller Handelskammern in Zentralamerika stehen für eine radikale Form der Privatisierung von selektiver Sicherheit. Es handelt sich um eine logische Weiterentwicklung des verbreiteten Abbaus von Staatlichkeit und Schaffung von privat abgesicherten sozialen Räumen. An die Stelle eines integrierten, nationalstaatlich verfassten Gemeinwesens tritt die Aufteilung in nützliche privatwirtschaftlich gesicherte Sphären und überflüssige Räume.

Fakt ist bereits: Private Exklaven oder Patchworkstrukturen privater Sicherheit durchdringen moderne Gesellschaften und zerfallende Staaten. Das öffentliche Gut Sicherheit droht zu verschwinden und durch den Imperativ selektiver privater Sicherheitsvorsorge ersetzt zu werden. Im Sinne neoliberaler Regulation erscheint es kostengünstiger, Sicherheit insgesamt zu privatisieren, d.h. nicht nur staatliche Aufgaben an private Unternehmen zu vergeben, sondern Sicherheit insgesamt zu einem Problem der individuellen Lebensvorsorge und des unternehmerischen Risikos zu machen. Der Staat wird dabei aus der Haftung entlassen. Sicherheit wird eine Ware. Unsicherheit wird zum persönlichen Makel. Auf diesem Entwicklungspfad würde die private Sicherheitsindustrie in allen ihren Ausprägungen dramatisch expandieren. Auch die derzeit bereitgestellten Steuergelder der Industrienationen zur Beauftragung privater militärischer Unternehmen mit Peace keeping drohten auszutrocknen.

Beharrungsvermögen durch fehlende politische Kontrolle

Die Konjunktur privater militärischer Unternehmen ist der durchgängig geringen Leistungsfähigkeit der Streitkräfte der meisten NATO-Staaten im Hinblick auf das Einsatzszenario Peace keeping in allen seinen Varianten geschuldet. Aktuell zeigt das staatsfinanzierte Segment der privaten Militärindustrie sehr hohe Wachstumsraten. Denn das politische Beharrungsvermögen obsoleter militärischer Strukturen in Verbindung mit politisch dramatisierten neuen Anforderungen hat zu militärischen Gesamtplanungen in den USA und Großbritannien und in abgeschwächter Form auch in anderen Industriestaaten geführt, die das Potential möglicher Erhöhungen des Militärausgaben deutlich übersteigen. Als Antwort auf die herrschende Orthodoxie, den Staat zu verschlanken, hat sich eine Vielzahl neuer haushaltstechnischer Verfahren durchgesetzt, die den Einsatz privaten Kapitals für militärische Beschaffung und weitestgehende Privatisierung früher als hoheitlich angesehener Aufgaben vorsehen.

"Private Public Partnership" ist eine dieser Finanzierungsstrategien, mit denen sich das Militär jenseits der aktuellen Budgets raschen Zugriff auf neue Infrastrukturen, Ausrüstungsgüter bis hin zu Waffensystemen verschafft, wobei die Finanzierung ähnlich wie bei Leasing oder Ratenkauf weit in die Zukunft gestreckt, also die Zeche von der nächsten Generation bezahlt wird. Dienstleister aller Art stehen beim Staat Schlange und behaupten, dass sie alles besser und billiger erledigen könnten, was bislang den Streitkäften als hoheitliche Aufgabe vorbehalten ist. Entgegen kommt dieser privatwirtschaftlichen Lobby, dass die Organisationsstrukturen von Streitkräften lange sowjetischer Planwirtschaft näher waren und vor allem in den USA noch sind als modernen Unternehmen. Immer neue Ideologien der militärischen Innovation nähren gleichzeitig vor allem in den Vereinigten Staaten die Erwartung, dass die Revolution der militärischen Angelegenheiten einen ferngesteuerten Krieg und absolute Überlegenheit bringen wird. Die großen Waffenlabors und die Rüstungsindustrie sind der Resonanzboden und die Profiteure dieser Ideologien. Der Traum vom ferngesteuerten, automatisierten Schlachtfeld, von der absoluten militär-technologischen Überlegenheit suggeriert den absoluten Sieg, der, dies hat Falluja bereits gezeigt, nur um den Preis totaler Zerstörung sicher ist. Aber solche Siege sind keine Antwort auf die politisch unausweichliche Frage, was kommt danach? Sicher scheint, Herrschaft ist im Gegensatz zum "Sieg" nicht automatisierbar.

Zu diesen Visionen passen die profanen militärischen oder eher polizeilichen Anforderungen "humanitärer Interventionen" und Stabilisierung nach bewaffneten Konflikten in wenig funktionsfähigen Staaten überhaupt nicht. Das erklärt, weshalb die amerikanischen Streitkräfte dieses Arbeitsfeld scheinbar bereitwillig an die private Militärindustrie abtreten. Wenn sie eine Beteiligung nicht vermeiden können, dann suchen sie, so viele Tätigkeiten wie möglich an private Unternehmen und Streitkräfte kleiner Staaten oder substaatlichen Akteuren wenig respektierlicher Provenienz (z.B. Afghanistan) auszulagern.

Für die Bundeswehr gilt, dass sie mangels wirklicher politischer Kontrolle viel zu lange an der Landesverteidigung festgehalten hat, wesentliche Teile des investiven Haushaltes (Eurofighter, U-Boote u.a.m.) auf mittlere Frist an Aufgaben gebunden sind, die längst nicht mehr der aktuellen Lage in Europa entsprechen. Teilstreitkräftekonkurrenz und Besitzstandswahrung, Standortbesiedlung auf dem Territorium der ehemaligen DDR und nicht zuletzt das Elbehochwasser haben es lange behindert, die Transformation der Gefährdungen in den Blick zu nehmen und die Rolle der Bundeswehr neu zu bestimmen. Wenn eine Organisation mit über 300 000 Beschäftigten ihre Leistungsgrenze mit 10 000 im Ausland tätigen Personen erreicht, dann sind Nachfragen hinsichtlich gravierender struktureller Mängel angebracht.

Ähnliches gilt im übrigen auch für die USA, obgleich man dort sicher zu sein scheint, dass militärische Fehlplanungen selbst gigantischen Ausmaßes durch Erhöhungen des Militärhaushaltes kompensiert werden. Gemessen an einer umfassenden Studie von SWP von Anfang der neunziger Jahre, in der die sicherheitspolitischen Gefährdungen Deutschlands nach Prioritäten gegliedert aufgelistet worden waren, war die Bundeswehr bis in die jüngste Vergangenheit auf Gefährdungen niedriger Priorität ausgerichtet. Unterstützt wurde sie dabei von einer industriepolitischen Lobby, die den Verteidigungshaushalt als industriepolitische Ressource vor allem zur Förderung der deutschen Luftfahrtindustrie[10] erfolgreich in Besitz genommen hat. Hieraus erklären sich die Schwierigkeiten der Streitkräfte den aktuellen Anforderungen im Bereich Peace keeping nachzukommen.

Fußnoten

[1] Mao Tse-tung's Theorie der Guerilla als Mittel der "Befreiung" setzte unhinterfragt bäuerliche Lebenswelten voraus, das Wasser eben, in denen sich die Revolutionäre wie Fische bewegen können. Die einzige revolutionäre Gruppierung im Zeitalter der Guerillaideologien, die im städtischen Raum einen gewalttätigen Umsturz zu organisieren versuchte, Tupamaros in Uruguay, ist kläglich gescheitert und in kurzer Zeit im wesentlichen mit polizeilichen Mitteln aufgerieben worden.

[2] Im gescheiterten Projekt sozialistischer Modernisierung im Jugoslawien Titos blieb ein großer Teil der Industriearbeiterschaft seiner kleinbäuerlichen Herkunft verbunden und bewirtschaftete kleine Parzellen zum Nebenerwerb und zur Eigenversorgung. Diese hybride Verfassung der Reproduktion eines großen Teils der Bevölkerung begründete die zähe Widerständigkeit der Kriegsparteien in allen Kriegen der Auflösung des ehemaligen Jugoslawien gegen starken Druck von außen. Zusätzlich wurde die Überlebensfähigkeit der Kriegsparteien noch durch die erhebliche Aufnahme von Flüchtlingen in verschiedene Länder gefördert. Die zynische "Triage" an den Grenzübergängen nach Europa sorgte dafür, dass den Kriegsparteien das einsetzbare Personal erhalten blieb. Denn es wurden nur Frauen, Kinder und alte Menschen durchgelassen.

[3] Es sei daran erinnert, dass in Deutschland noch im Zweiten Weltkrieg große Teile städtischer Bevölkerung, die nicht in den Produktionsprozess eingebunden waren, vor allem Schulen, "aufs Land verschickt" und dort weitgehend lokal versorgt wurden. Nach fünfzig Jahren Modernisierung der Landwirtschaft verbietet es sich an eine solche Option auch nur zu denken, da der ländliche Lebensraum inzwischen ebenso verletzlich gegenüber Störungen der Infrastruktur und Warenzirkulation geworden ist, wie urbane Agglomerationen.

[4] Aus dieser ideologischen Figur lassen sich Selbsttötung als Kamppfmittel und durch keine Normen begrenzte terroristische Handlungen ableiten.

[5] Die Fremdenlegion hat zu den bewaffneten Konflikten der letzten zwanzig Jahre qualifizierte Söldner und Kämpfer auf Seiten ihrer Herkunftsgruppe beigesteuert, während die Ghurkas durch eine weltweit operierende Sicherheitsfirma aufgefallen sind.

[6] Bislang liegen hierzu wenig gesicherte Informationen vor. In Pressemeldungen ist von 60 chilenischen "ex-commandos" und südafrikanischem Personal auf den Lohnlisten der piravaten militärischen Unternehmen im Irak die Rede.

[7] Dies gilt besonders für sog. Kampftruppen, wie es die amerikanischen Marines, die vor allem am unteren, ökonomisch chancenlosen Rand der Gesellschaft rekrutieren. Für dieses spezielle Ausbildungsprofil gibt es nach Beendigung der befristeten Karriere als Berufssoldat nur eine Chance auf dem Arbeitsmarkt als "Gewaltakteur" in der privaten Sicherheitsindustrie. Anschaulich hierzu: Eavn Wright, Generation Kill, New York 2004.

[8] Hierzu gehören Erweiterung oder Verlängerung des Auftrages sowie gezielte Erzeugung von Intransparenz des  Vorganges.

[9] Sie ergibt sich bislang u.a. auch daraus, dass einige Nationen durch bereitwillige und umfangreiche Teilnahme an VN-Missionen eine erweiterte militärische Kapazität über das national finanzierbare Maß hinaus vorhalten wollen, indem qualifiziertes militärisches Personal über diese Missionen durch die VN über längere Zeiträume finanziert wird.

[10] Der vordringliche Bedarf einer Lufttransportkapazität jenseits von Transall schreit seit mindestens 25 Jahren gen Himmel. Aber die industriepolitische Dimension des A 400 hat sich durchgesetzt. Die Versuche von Verteidigungsminister Rühe mit einer Antonov-Maschine eine Überbrückung zu schaffen, sind kläglich an dem simultanpolitischen Ziel der Industriesubvention und maximalistischen Anforderungen der Luftwaffe gescheitert

Literatur

Hills, Alice, Future War in Cities Rethinking a liberal dilemma, London (Frank Cass) 2004.

Les entreprises para-privées de coercition - De nouveaux mercenaires?, Cultures & Conflits  (L'Harmattan) Hiver 2003, No.52.

Kümmel, Gerhard, Die Privatisierung der Sicherheit: Fluch oder Segen?, SOWI Arbeitspapier 137, Strausberg 2004.

Makki, Sami, Militarisation de l'humanitaire, privatisation du militaire, Cahier d'Études Stratégiques 36-37, Paris (Groupe de Sociologie de la Défense de l'EHESS) 2004.

Private Military Companies: Options for Regulation, House of Commons, London (Stationary Office) 2002.

Singer, P.W., Corporate Warriors - The Rise of the Privatized Military Industry, Ithaca and London (Cornell University Press 2003.

United Nations Human Settlement Programme, The Challenge of Slums Global report on Human Settlements 2003, London (Earthscan) 2003.

Eigene Arbeiten zum Thema

Ein Indikator für globale Veränderungen: Privatisierung von Sicherheit - Eine Herausforderung für Friedensforschung? in: Martin Grundmann/Hartwig Hummel, Militär und Politik -Ende der Eindeutigkeiten, Zum Wandel institutionalisierter Gewalt, Baden-Baden (Nomos) 1998, S. 178-201.

Military Downsizing and Growth in the Security Industry in Sub-Saharan Africa, in: Strategic Analysis, Vol. XXII No.9 Dec. 1998, pp.1393-1426.

Africa, Military Downsizing and Growth in the Security Industry, in: Peace, Profit or Plunder? - The Privatisation of Security in War-Torn African Societies, Jakkie Cilliers; Peggy Mason eds., Pretoria 1999, pp.11-36.

Sicherheit à la carte? Entstaatlichung, Gewaltmärkte und Privatisierung des staatlichen Gewaltmonopols, in: Tanja Brühl et al., Die Privatisierung der Weltpolitik, Entstaatlichung und Kommerzialisierung im Globalisierungsprozess, Bonn (Verlag J.H.W.Dietz Nachf.) 2001, S.82-103.

Privatisierung des Militärs oder der Sicherheit?, in: Sozialismus, Jg.31 Heft 9/2004, S.52-55.

Ökonomie der neuen Kriege, in: Der Bürger im Staat", Landeszentrale für politische Bildung, Baden-Württemberg, 54 Jg. Heft 4, 2004, S.191-196. www.lpb.bwue.de/aktuell/bis/4_04/Die_neuen_Kriege.pdf