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letzte Änderung:03.01.2011
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Weltweiter Waffenhandel

Notiz für das Attac - Treffen in Bremen

Zur Entwicklung des politischen Stellenwertes des Paradigmas
Veränderte Lage
Zur Entwicklung der Datenlage in Deutschland und deren Merkmale
Weltweite strukturelle Veränderungen
Weitere methodische Probleme der Erhebung
Trends des Waffenhandels und Rolle Deutschlands
Waffenhandel ein strategisches Thema für Attac?
Anhang: Anmerkungen zum Strategiepapier von Attac in Frankreich

Zur Entwicklung des politischen Stellenwertes des Paradigmas

Waffenlieferungen waren ein strategisches Spielfeld der hegemonialen Konkurrenz zwischen Ost und West. Daher überstiegen die Zuflüsse an Kriegsgerät in der Dritten Welt sehr lange bei weitem die dafür geleisteten Zahlungen und das Leistungsvermögen der jeweiligen Volkswirtschaften. Ab Ende der sechziger Jahre gab es zwei jährlich publizierte Datensätze zum weltweiten Rüstungsexport und Militärausgaben. ACDA, eine amerikanische dem State Department nachgeordnete Behörde und die SIPRI - Jahrbücher. Auf der sowjetischen Seite waren alle militärischen Daten tabuisiert. Noch Ende der achtziger Jahre mussten sowjetische Autoren westliche Quellen zitieren, wenn sie Aufwendungen für das Militär oder selbst Daten zur sowjetischen Rüstungsproduktion erwähnen wollten.

Waffenhandel bzw. Rüstungsexporte waren seit Beginn der Friedensforschung in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre und der zweiten Friedensbewegung, die sich erst Mitte der siebziger Jahre wieder zu entwickeln begann, ein Thema, an dem sich sowohl linke und als auch konservative Stimmen abgearbeitet haben. Die Kritik an Waffenlieferungen, vor allem in die Dritte Welt, wurde geradezu zu einem moralischen Gutschein in der politischen Auseinandersetzung. Der statistisch ermittelten Behauptung in Veröffentlichungen der siebziger Jahre, dass hohe Aufwendungen für Rüstung wirtschaftliches Wachstum fördern, wurde vehement widersprochen. Aber dieser Widerspruch gründet sich gleichfalls nicht auf sorgfältige Analyse und beschränkte sich auf die offensichtliche Plausibilität, dass man Geld alternativ für soziale Zwecke ausgeben könnte.

Anfang der siebziger Jahre haben in Deutschland zunächst Ulrich Albrecht auf der liberalen Seite und Helga Haftendorn auf der konservativen Seite mit Dissertationen zu diesem Thema ihre akademischen Karrieren eingeleitet und Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt.

In der Bundesrepublik entwickelte sich im protestantischen und links-katholischen Lager eine moralisch begründete Kritik an Rüstungsexporten. Später gewann auch Kritik an überhöhten Rüstungsausgaben und aggressiven Militärstrategien (Anti-Weißbuch, Afheldt), atomare Optionen eingeschlossen (Weizäcker-Studie), politisches Gewicht in der entstehenden Friedensbewegung . Ende der siebziger Jahre legitimierte der Bericht der Nord-Süd-Kommission (Willy Brandt) und eine UN-Studie zusätzlich die politische Kritik am Waffenhandel, weil der Bericht, zwar empirisch nicht sorgfältig begründet, feststellte, dass die Rüstungsaufwendungen und die Waffenimporte in der Dritten Welt zu Lasten der Entwicklung gingen und daraus programmatisch Forderungen nach Einschränkung von Rüstungsexporten und Abrüstung ableitete. Ruth L.Sivard's jährlicher Bericht zu den weltweiten Militär- und Sozialausgaben lieferte handliche Daten hierzu und fand weite Verbreitung.

Die sich langsam entwickelnde Friedensbewegung in der Bundesrepublik hat diese Argumente aufgegriffen und schließlich in die Kritik am unterstellten militärisch-industriellen Komplex integriert. Diese verschiedenen Kritiklinien der organisatorisch von der DKP dominierten Friedensbewegung (Pahl-Rugenstein lieferte das Diskursmaterial) fanden zunehmend auch in der offiziösen Friedensdoktrin der DDR (Engelhard u.a. regelmäßig in den IPW-Berichten) ihren Widerhall.

Bei der deutschen Friedensbewegung handelte es sich jedoch um eine international relativ isolierte, den deutschen Verhältnissen geschuldete soziale Bewegung. Denn scheinbar ähnliche, häufig zeitgleich stattfindende Proteste auch unter dem Etikett Friedensbewegung in anderen europäischen Ländern hatten keineswegs identische Zielsetzungen. Diese den ganz anderen Wahrnehmungen der jüngeren europäischen Geschichte geschuldeten Differenzen wurden von der bundesrepublikanischen Friedensbewegung bewusst (?) ignoriert, ein Diskurs über sie wurde allseits gemieden.

In der Bundesrepublik war es erst die aggressive atomare Rüstungspolitik der Reagan-Regierung, die in der Friedensbewegung unter Führung des DKP-dominierten Krefelder Appelles eine scharfe Kritik atomarer "Sicherheitspolitik" ermöglichte. Denn die gesamte Linke, die entstehende außerparlamentarische Opposition und ihre Folgeprodukte, die grünen Parteien, sind noch Mitte der siebziger Jahre nach Brockdorf zu der Baustelle eines Kernkraftwerkes über schlammige Felder gestolpert und haben die Auseinandersetzung mit der sozial-liberalen Regierung gesucht. Die bei Kellinghusen für den Einsatz durch NATO-Truppen gelagerten Atomwaffen hatte man noch rechts liegen gelassen. Nicht zuletzt aus der Perspektive der DKP-orientierten Friedensaktivisten war das gerade erst von der "friedliebenden Sowjetunion" erreichte sogenannte strategische Gleichgewicht eine Errungenschaft, die nicht durch Forderungen nach einseitiger nuklearer Abrüstung gefährdet werden durfte. Denn, so die politische Argumentation, nur auf der Grundlage dieses Gleichgewichts war es möglich, den aggressiven Imperialismus einzuhegen und "fortschrittliche Regime" und "Befreiungsbewegungen" in der Dritten Welt zu unterstützen.

Der in den Metropolen blockierte Weg zum Sozialismus wurde durch Solidarität mit "bewaffneten Befreiungskämpfen" und deren materieller Unterstützung gesucht. Man spendete Blut für den bewaffneten Kampf in El Salvador und schwätzte grob fahrlässig von "befreiten Gebieten"[1]. Die analytische Orientierungslosigkeit der in hyperaktive "K-Gruppen" unterschiedlichster Provenienz zerfaserten universitätsnahen Linken wurde erst durch die sog. Nachrüstung der Reagan-Regierung übertüncht und machte die Friedensbewegung äußerlich gemeinsam handlungs- und bündnisfähig.

Ideologisch aufgeladene, empirisch wenig hinterlegte Begriffe wie Hochrüstung, imperialistische Ausbeutung und die reale Angst vor einer kriegerischen Konfrontation verbanden sich zu einer singulären außerparlamentarischen politischen Mobilisierung in der Bundesrepublik. Die zahlreichen von den USA geförderten und von Westeuropa geduldeten Militärdiktaturen in Lateinamerika und anderswo schienen die Richtigkeit einer eher mechanistischen Imperialismusanalyse à la Engelhard und Heise (IPW)[2] zu belegen.

Der militärisch-industrielle Komplex wurde zum Dämon stilisiert, der die Politik vorgeblich horrender Profite wegen auf einen Abgrund hin steuerte. Die Folgen, Sozialabbau in den Metropolen und Massenverelendung in der Dritten Welt, galt es durch Rüstungskontrolle, Abrüstung und Friedenspolitik zu verhindern. Die meisten Parolen waren empirisch nicht haltbar. Sie konnten aber, solange der Kalte Krieg die Politik bestimmte, erfolgreich zur breiten Mobilisierung eingesetzt werden. An die Senkung von Militärausgaben und Rüstungskonversion war die volkswirtschaftlich unhaltbare, buchhalterische Erwartung geknüpft, dass ungeheure Mittel für Sozial- und Entwicklungspolitik verfügbar würden. Auch Gorbatchev glaubte, mit den durch Rüstungsminderung freiwerdenden Kapazitäten das in eine schwere Krise geratene sowjetische Wirtschaftssystem retten zu können. Mit der Prognose von 12 Billionen Dollar Friedensdividende in der letzten Dekade bis zur Jahrtausendwende im UNDP Bericht zur menschlichen Entwicklung von 2002[3] erreichten diese politischen Illusionen ihren Höhepunkt.

Diese Erwartungen waren falsch, wurden aber bis Mitte der neunziger Jahre im sozialdemokratischen Umfeld unter dem Stichwort Friedensdividende in eigens hierfür gegründeten Forschungseinrichtungen fortgeschrieben. Die politische Naivität des verbreiteten Geredes von einer Friedensdividende besteht darin, dass es völlig von der Frage politischer Macht abstrahiert. Es unterstellte, dass die Politik auf Sozialpolitik und Entwicklungshilfe ausgerichtet war und nur durch die hohen Rüstungsaufwendungen für das virtuelle Wettrüsten an der Implementierung gehindert wurde.

Tatsächlich jedoch ist Abrüstung zunächst mit zusätzlichen Aufwendungen verbunden. Die als Hochtechnologieressourcen gepriesenen Rüstungsindustrien sind nicht leistungsfähig und haben auf zivilen Märkten kaum Chancen. Die notwendige Umstrukturierung der Volkswirtschaft erfordert erhebliche neue Investitionen. Freiwerdende militärische Liegenschaften erfordern hohe Aufwendungen für ihre Reintegration in zivile Wirtschaftskreisläufe, zusätzlich zu der Beseitigung häufig massiver Umweltschäden, die von der militärischen Nutzung stammen. Von den Lebenszykluskosten der überbordenden Waffenarsenale entfallen je nach Waffentyp ein großer Teil erst mit der Abrüstungsentscheidung[4] an. Nicht zuletzt auch deshalb konnte die zunächst weltweite und außerhalb der USA lange anhaltenden Minderung der Rüstungsausgaben nicht zu erhöhten Sozialaufwendungen oder gesteigerter Entwicklungshilfe führen.

Veränderte Lage

Zumindest in Europa hat sich der unterstellte militärisch-industrielle Komplex im Kontext neo-liberal getriebener Privatisierung inzwischen weitgehend auf industrielle Konzerne aufgeteilt, die u.a. Rüstung fertigen und auf zivil-militärischen Synergien und F & E - Subventionen setzen. Eine Ausnahme bildet BAe in Großbritannien. Diese Unternehmen hat sich vorrangig durch Zukäufe von Rüstungsfirmen in den USA vor allem auf den großen amerikanischen Binnenmarkt für Rüstung ausgerichtet. Gesamtwirtschaftlich hat die Bedeutung von Rüstungsfertigung in Europa dramatisch abgenommen. Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive sind in fast allen Bereichen neben der militärischen Binnennachfrage Exportaufträge für die Aufrechterhaltung der Produktion notwendig. Dies wird zum einen durch eine zunehmende arbeitsteilige Konsolidierung der Produktion in der EU erreicht, zum anderen wird die Akquisition von Aufträgen außerhalb der EU, zunehmend auch in den USA, sehr intensiv betrieben. Hierbei reiben sich die proklamierten, an Menschenrechten orientierten Zielsetzungen der Außenpolitiken in der EU mit den betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen zur dauerhaften Vorhaltung von Rüstungsproduktions- und Entwicklungskapazitäten auf nationalstaatlichen Ebenen und in der EU insgesamt. Entsprechend widersprüchlich ist die europäische Exportpolitik insgesamt.

Die Kritik am Waffenhandel hat in den letzten fünfzehn Jahren ihren Begründungszusammenhang geändert. War es in den achtziger Jahren noch die Verschwendung wertvoller Ressourcen und die Gefahr, zwischenstaatliche Kriege durch Rüstungslieferungen zu fördern, mit der die Kritik vor allem begründet wurde, so stehen heute die Verletzung von Menschenrechten und die Forderung nach UN-Sanktionen (-embargos) und deren Einhaltung im Vordergrund. Daher stehen seit den neunziger Jahren Forderungen nach dem Verbot bestimmter Waffen (chemische und biologische Waffen, Antipersonenminen, Streubomben u.a.m.) und das Bemühen um eine strikte Kontrolle von Kleinwaffen, die in den meisten bewaffneten Konflikten eine zentrale Rolle spielen, stärker im Vordergrund.

Entsprechende z.T. aufwendige Initiativen in den Vereinten Nationen zur Einhegung von bestimmten problematischen Waffen sind mit Ausnahme der chemischen Waffen durch den Widerstand bedeutender Länder neutralisiert worden. Bei den Antipersonenminen hat eine Initiative interessierter Staaten außerhalb der blockierten UN-Strukturen zu einem inzwischen völkerrechtlich wirksamen Verbot geführt. Das mit großem zivilgesellschaftlichem Engagement betriebene Projekt bei Kleinwaffen innerhalb der Vereinten Nationen zu einer verbindlichen übereinkunft zu kommen, ist bei einem unverbindlichen und wenig wirksamem Aktionsprogramm stecken geblieben.

Etwas überraschend nach dem Debakel der Kleinwaffeninitiative ist mit erstaunlich umfassender Unterstützung die vor allem von britischen Nichtregierungsorganisationen im Solde der Blair-Regierung (z.B. IANSA, International Alert u.a.m.) betriebene Initiative für einen globalen Arms Trade Treaty (ATT) auf der Tagesordnung der Generalversammlung der Vereinten Nationen gelandet. Der Jubel der Nichtregierungsszene über den mit großer Mehrheit in der Generalversammlung in Gang gesetzten Prozess der Ausgestaltung des ATT ist mit Sicherheit verfrüht. Denn über das für die Wirksamkeit eines solchen Abkommens entscheidet das Kleingedruckte. Hier gibt es noch keine Festlegungen und schon gar keine übereinkunft. Das weitgehend belanglose, Anfang der neunziger Jahre vereinbarte UN Register konventioneller Waffen zeigt, dass durch Einschränkungen im Kleingedruckten (Definitionen etc.) und fehlende Verbindlichkeit derartige Instrumente politisch zur Wirkungslosigkeit verdammt bleiben.

Zur Entwicklung der Datenlage in Deutschland und deren Merkmale

Allgemein gilt, dass sich die technologische Zusammensetzung von militärischen Geräten aller Art seit den achtziger Jahren tiefgreifend verändert hat. Der Anteil des Komponenten, deren Technologie dem rasanten Innovationstempo auf zivilen Märkten geschuldet ist, überwiegt inzwischen bei weitem. Anders formuliert, militärisches Gerät und Waffenplattformen enthalten zunehmend Dual-Use Komponenten, deren Technologie für zivile Märkte unter Wettbewerbsbedingungen entwickelt worden ist und deren Absatzmärkte vor allem im zivilen Bereich liegen. Rüstungsexportkontrolle wird tendenziell nur bei Komponenten durchführbar sein können, die für eine ausschließlich militärische Verwendung überwiegend mit staatlichen Geldern[5] entwickelt worden sind.

In Deutschland hat sich zumindest die Datenlage zum Waffenhandel seit 1999 durch ein jährliches Berichtswesen der Regierung und die ebenfalls jährliche sorgfältige Kritik daran durch die Gemeinsame Konferenz für Kirche und Entwicklung[6] deutlich verbessert.

Zur Beurteilung der deutschen Rüstungsexporte sind folgende Faktoren zu berücksichtigen.

Die deutsche Rüstungsindustrie hat in den Bereichen Marineschiffbau, einschließlich konventioneller U-Boote, gepanzerte Fahrzeuge und Kleinwaffen, einschließlich zivile Handfeuer- und Jagdwaffen, international einen besonderen Ruf. Angesichts der Preisdifferenzen zwischen einer Marineeinheit und selbst tausenden Kleinwaffen müssen die deutschen Exportdaten unbedingt desaggregiert werden. Die Ablieferung von einer zusätzlichen Marineeinheit in einem Kalenderjahr führt alleine schon zu einer erheblichen Steigerungsrate.

Die führende Stellung der deutschen Industrie auf den Weltmärkten in den Bereichen Werkzeugmaschinenbau und Dieselmotoren bringt es mit sich, dass Deutschland als Ausrüster von neuer Rüstungsfertigung und Zulieferer von zentralen Komponenten, z.B. Panzer- und Schiffsantriebe, in Frage kommt. Schlägt man die sog. Dual-Use Güter zu den Rüstungsexporten, dann ergeben sich für Deutschland aufgrund dieses Sachverhaltes immer sehr hohe Exportwerte. Problematisch ist ferner, dass Länder, die beabsichtigen, mehr oder weniger heimlich atomare oder chemische Waffen zu produzieren, fast zwangsläufig in Deutschland Komponenten für Industrieanlagen und Spezialchemie kaufen (lassen) müssen. Einige Gerichtsverfahren gegen deutsche Unternehmen, die Exportkontrollen unterlaufen haben, haben wahrscheinlich nicht mehr als die Spitze eines Eisberges bedenklicher Exporte beleuchtet.

Weiterhin ist der europäische Binnenmarkt (EU) zunehmend ein Problem, denn Auslagerung industrieller Fertigung in neue Mitgliedstaaten und der Reexport von Komponenten durch ein anderes EU-Mitglied bedeuten, dass eine umfassende Kontrolle rüstungsrelevanter Technologie produziert von deutschen Unternehmen auf der Grundlage deutscher Exportstatistik immer weniger umfassend möglich ist.

Schließlich gibt es in zahlreichen Ländern, die nicht über entsprechende industrielle Kapazitäten verfügen, sicherheitspolitisch legitime Nachfrage nach militärischen Ausrüstungsgütern und Waffen und sei es nur, um bei UN-Missionen mit angemessener Ausrüstung tätig werden zu können[7]. Weiterhin genießen deutsche Handfeuerwaffen in den Ländern, allen voran den Vereinigten Staaten, in denen der private Erwerb nicht oder nur geringfügig beschränkt ist, einen hervorragenden Ruf und ihr Marktanteil ist entsprechend sehr hoch. (James Bond trägt eben eine klassische Walther P38[8] und keine Makarov!).

Weltweite strukturelle Veränderungen

Weltweit sind laut SIPRI die Waffentransfers zwischen 1986 und 2003 kontinuierlich auf weniger als die Hälfte etwa 40 Mrd. Dollar gesunken. Zentrale Ursache für diese Entwicklung ist die sich durch neo-liberalen Deregulierungsdruck beständig verschärfende Krise der Staatsfinanzen in der weit überwiegenden Zahl der Staaten und der weitgehende Wegfall der fremdfinanzierten Alimentierung von Streitkräften in der Dritten Welt mit militärischem Gerät zur Wahrung politischen Einflusses unter Bedingungen bi-polarer Konkurrenz.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen kann man vor allem in der Dritten Welt diese Entwicklung als strukturelle Abrüstung beschreiben, die für die meisten Streitkräfte dazu geführt hat, dass sie heute über keine Kapazität zur Durchführung grenzüberschreitender militärischer Operationen[9] verfügen. Es fehlt inzwischen allgemein an einsatzfähigen Waffensystemen und Logistik. Tatsächlich ist in weiten Teilen der DrittenWelt die im europäischen Staatsmodell festgeschriebene Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit, zwischen Militär und Polizei längst aufgehoben und das Militär zu einem ausschließlich im Inneren operierenden Machtfaktor degeneriert. Nicht selten, meist jedoch vergeblich, hat sich das Militär in der jüngsten Vergangenheit gegen diese Aufgabenzuweisung gewehrt. In anderen Fällen hat der Zusammenbruch der Staatsfinanzen die Streitkräfte zu Prädatoren in eigener Sache gemacht, deren Aktivitäten auf das korporative überleben jenseits von Gesetz und demokratischer Kontrolle konzentriert sind.

Die an Rüstungskontrolle zur Vermeidung zwischenstaatlicher Konflikte orientierte jährliche Aggregation der Militärausgaben von weit über 100 Staaten der Welt im SIPRI-Jahrbuch ist aufgrund des inzwischen weit verbreiteten Funktionswandels des Militärs eine überflüssige übung, deren Ergebnis in der Politik(wissenschaft), aber auch von Nichtregierungsorganisationen, zu allerlei unsinnigen Analysen und Kritik verwendet wird. In der entwicklungspolitischen Debatte wird häufig pauschal die Höhe der Militärausgaben kritisiert und zugleich aber darüber Klage geführt, dass der Staat nicht in der Lage ist, das staatliche Monopol legitimer Gewalt durchzusetzen und für rechtsstaatliche Bedingungen zu sorgen. Ohne dass es in den Diskussionen über Rüstungsexportkontrolle und über die Senkung von Militärausgaben hinreichend wahrgenommen wird, hat sich die funktionale Differenzierung der an der "Produktion von Sicherheit" beteiligten Institutionen und Akteure in weiten Teilen der Welt strukturell tiefgreifend verändert.

Gesellschaftliche Organisation jeder Art hat Sicherheit zur Voraussetzung. Wer heute die Angemessenheit der Aufwendungen für Sicherheit bewerten will, muss Militär, Polizei, private legale und informelle, darunter auch kriminelle Akteure erfassen, die in ihrer Gesamtheit in sehr unterschiedlicher Zusammensetzung und Arbeitsteilung die jeweilige Gleichung verfügbarer Sicherheit und erlittener Unsicherheit in sozial tief fragmentierten Gesellschaften bestimmen. Die alleinige Messung der Militärausgaben ist angesichts ihrer in jeweiligen nationalen Kontexten unterschiedlichen Funktionalität sozialwissenschaftlich unbrauchbar und eignet sich bestenfalls zu undifferenzierter Kritik an allem Militärischen in der Tradition der Friedensbewegung im Kalten Krieg, die damals freilich im Kontext virtuell vorangetriebenen Wettrüstens legitim war.

Weitere methodische Probleme der Erhebung

Zunächst muss man feststellen, dass es keine auch nur näherungsweise zuverlässig ermittelten Daten zum monetären Volumen des globalen Waffenhandels gibt. Die früher verfügbaren Daten von ACDA waren trotz aller methodischen Erläuterungen letztlich politisch bestimmt. Das Wissen der amerikanischen Regierung um internationale Waffentransfers hat, manipulativ an amerikanischen Interessen ausgerichtet, Eingang in dieses jährliche Zahlenwerk gefunden. Am Deutlichsten wurde dies im Umgang mit Daten zu sowjetischen Transfers und Militärausgaben offenbar. Aber auch der Umfang amerikanischer Waffenlieferungen an gegen die jeweiligen Regierungen agierenden Aufstandsbewegungen, z.B. in Nicaragua und Afghanistan, hatte in den ACDA Statistiken keinen Niederschlag gefunden.

Die in Geldwerten ausgedrückten Rüstungstransferdaten, die jährlich von SIPRI veröffentlicht werden, sind nicht dem Versuch geschuldet, die tatsächlichen finanziellen Vertragsinhalte und Finanzströme im Zusammenhang mit Rüstungstransfers zu ermitteln, was aufgrund der allseits praktizierten Geheimhaltung auch kaum möglich sein dürfte. Die von SIPRI veröffentlichten Zahlen sind vielmehr das Ergebnis eines komplizierten Verfahrens, das darauf beruht, vergleichbare ungefähre Werte der transferierten Großwaffen zu schätzen, obwohl zuverlässige und vor allem vergleichbare Preisinformation als Grundlage für diese Schätzungen nicht verfügbar sind. Der Transfer eines gebrauchten Marineschiffes findet z.B. mit einem am Baujahr orientierten Abschlag Eingang in die Transferstatistik. Das SIPRI-Verfahren ist wahrscheinlich die am wenigsten schlechte Methode zu einem monetären Schätzwert der Rüstungstransferprozesse zu kommen. Gleichwohl ist es wichtig, sich zu veranschaulichen, dass die dort festgeschriebenen Werte in konkreten Fällen wenig mit den tatsächlichen Finanzströmen im Zusammenhang mit Rüstungslieferungen zu tun haben.

Zu beachten ist auch, dass die Ermittlung eines Preises, der sich am geschätzten Zeitwert orientiert, nichts über den tatsächlichen militärischen Wert eines Waffensystems aussagt. Aus verschiedenen Gründen werden nicht selten Waffensysteme erworben, für die es entweder kein reales Einsatzszenario gibt oder aber die mangels notwendiger ergänzender Infrastrukturen militärisch nicht eingesetzt werden können und so bestenfalls bei der Parade am Nationalfeiertag vorgeführt werden.

Dass vorzugsweise Großwaffen geordert werden, hat mit dem singulären Korruptionspotenzial von Rüstungsgeschäften zu tun. Die für alles Militärische allgemein akzeptierte Geheimhaltung schafft die für Korruption förderliche Intransparenz von allem, was mit Rüstungskäufen zu tun hat. Fragen der nationalen Sicherheit waren traditionell selbst für die statistischen Erhebungen des IWF (International Financial Statistics) tabu. Der Militärsektor bildete den Bereich staatlichen Handelns, in dem die nationalen Eliten souverän entscheiden konnten und vor sanktionierenden Eingriffen des IWF weitgehend sicher waren. Daher überrascht es nicht, dass in der einschlägigen Literatur allgemein davon ausgegangen wird, dass Bestechung etwa ein Fünftel des Volumens militärischer Aufträge ausmacht. Für die arabischen Erdölförderländer[10], Südafrika, Taiwan, aber auch Israel sind entsprechende Korruptionszahlungen verlässlich dokumentiert. Wie bedeutend die mit Rüstungsaufträgen verknüpfte Korruption ist, zeigt sich, wenn man das langjährige Mittel der jährlichen Rüstungstransfers von etwa 50 Mrd. Dollar zugrunde legt. Bei 20 % ergeben sich jährlich 10 Mrd. Dollar Schmiergelder im Zusammenhang mit Rüstungstransfers, selbst wenn man konservativ von einem Anteil von 10 Prozent Bestechungszahlungen ausgeht, sind es immer noch beachtliche 5 Mrd. Dollar, die wahrscheinlich jährlich allein im Zusammenhang mit Rüstungskäufen in die Taschen von korrupten Eliten fließen.

Schließlich gibt es einen allem Anschein zufolge sehr leistungsfähigen Schwarzmarkt für Waffen und Munition, auf dem sich die nicht-staatlichen Parteien in bewaffneten Konflikten versorgen müssen. Aber auch staatliche Parteien in bewaffneten Konflikten greifen dann auf den internationalen Schwarzmarkt zurück, wenn sie durch internationale Sanktionen in ihren legalen Möglichkeiten der Rüstungsbeschaffung eingeschränkt sind. Es liegt in der Logik dieser Märkte, dass eine systematische Datenerhebung nicht möglich ist und es nur grobe Schätzungen gibt, die auf zufälligen Einzelbeobachtungen beruhen.

War der illegale Waffenhandel während des Kalten Krieges eine vorrangig vom CIA und entsprechenden Organen in anderen Staaten gedeckte und geförderte profitable Hehlerei, ist er seit dessen Ende zu einem Geschäftszweig der internationalen organisierten Kriminalität geworden. Die Geschäfte werden gegen Barzahlung in Devisen oder gegen Zugriff auf wertvolle Rohstoffe abgewickelt. Auf der Angebotsseite stehen in Auflösung befindliche staatliche Strukturen, aus denen heraus gegen meist bescheidene Zahlungen Rüstungsgüter aus den Arsenalen oder von maroden Unternehmen illegal und unkontrolliert bezogen werden können. Andernorts, z.B. nach bewaffneten Konflikten, werden überschüssige Waffen durch Einschleusen in internationale Schwarzmärkte in Wert gesetzt, d.h. wieder in Umlauf gebracht und einer erneuten Verwendung zugeführt. Die Logistik des Schwarzmarktes beruht auf der Korruptionsanfälligkeit der Handel und Verkehr überwachenden Staatsorgane, die nicht zuletzt ein Produkt der vom IWF getriebenen Deregulierung ist. In der Literatur zur international organisierten Kriminalität wird behauptet, dass Drogen-, Waffen- und Menschenhandel von kriminellen Mischkonzernen[11] betrieben werden.

Trends des Waffenhandels und Rolle Deutschlands

Laut von noch nicht veröffentlichten Zahlen geht SIPRI davon aus, dass sich der seit 2004 erstmals wieder festgestellte Trend der Steigerung der weltweiten Waffenexporte (definiert als Export konventioneller Großwaffen) bis 2006 fortgesetzt hat. Die USA und Russland sind, wie seit den fünfziger Jahren gewohnt, die größten Exporteure, gefolgt in großem Abstand von Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Auf der Empfängerseite freilich hat es erhebliche änderungen über diesen Zeitraum gegeben. Heute sind VR China und Indien, gefolgt von Staaten im persisch-arabischen Golf (Irak, Kuweit, Vereinigte Emirate, Saudi Arabien) die größten Abnehmer. Für 2005, dem neuesten Jahr für das Daten verfügbar sind, kommt SIPRI zu einem Schätzwert für die weltweiten Transfers zwischen 39 und 56 Mrd. Dollar gegenüber 42-55 Mrd. Dollar für das Jahr 2004. Diese große Varianz bei der Schätzung spiegelt die extremen methodischen Schwierigkeiten, die sich bei dem Versuch ergeben, Rüstungstransfers zu erheben und dann zu bewerten.

Mit jährlichen Schwankungen in den jeweiligen Anteilen hat SIPRI ermittelt, dass auf Russland, die USA und die Staaten der EU jeweils etwas weniger als ein Drittel der Waffenexporte entfallen, der kleine Rest verteilt sich auf zahlreiche Staaten, die in diesem Markt Fuß fassen wollen. Der Löwenanteil der russischen Exporte geht an China und abnehmend an Indien. Für die häufig mit pauschalen Zahlen argumentierende gegen Rüstungsexporte gerichteten Reste der deutschen Friedensbewegung wäre es wichtig, diese Veränderungen der Weltpolitik in ihrer Argumentation zu reflektieren. China und Indien sind Großmächte und auf sie entfällt mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung. Gemessen am maßlosen militärischen Zerstörungspotenzial, das die am Kalten Krieg unmittelbar beteiligten Staaten nach wie vor vorhalten, ist es nachvollziehbar, dass diese Großmächte Nachholbedarf reklamieren. Gleichzeitig buhlen die Rüstungsindustrien des Kalten Krieges darum, diesen Nachholbedarf zu bedienen.

Die massiven Lieferungen von Waffensystemen in die arabischen Erdölexportländer in den letzten Jahrzehnten haben militärisch eine vergleichsweise geringe Bedeutung, weil sie meist nicht zum Aufbau einsatzfähiger nationaler Streitkräfte geführt haben. Hingegen sind die Transfers einerseits für die jeweils liefernden Rüstungsfirmen von sehr großer Bedeutung und werden andererseits von den dort herrschenden Eliten wegen ihres Bereicherungspotenzials bei der Auftragsabwicklung sehr geschätzt. Die jährliche Waffenschau in Dubai ist eine exhibitionistische Vorführung aller bedeutenden Rüstung produzierenden Unternehmen, die dort mit diplomatischer Unterstützung ihrer Regierungen einen Teil der Erdölrente aneignen wollen, den sie freilich mit den jeweiligen Beschaffungsbürokratien teilen müssen.

Im Blick auf Deutschland[12] muss man sich in der Friedensbewegung von der Vorstellung eines militärischindustriellen Komplexes und horrenden Rüstungsprofiten endgültig verabschieden, will man realitätstüchtige Kampagnen gegen bewaffnete Konflikte, gegen massive Menschenrechtsverletzungen und für eine weltweite soziale und politische weltweite Ordnung organisieren, die zumindest das Niveau bewaffneter Gewalt als Konfliktregulierung mindert. Man muss sich darum bemühen, in jedem konkreten Falle zu prüfen, ob der Empfänger einen legitimen Bedarf hat, der durch Import gedeckt werden soll oder ob es Gründe gibt, auf eine Versagung der notwendigen Exportgenehmigung zu dringen. Dazu wäre es allerdings notwendig, eine Transparenz der Genehmigungsverfahren ex-ante zu gewährleisten. Die gegenwärtige Praxis läuft darauf hinaus, dass Abläufe faktisch erst ex-post politisch kritisiert werden können.

Die deutschen Waffenexporte schwanken um den einen Anteil von 0,2 % an den gesamten Exporten und beliefen sich in den Jahren 2004 auf 1,13 Mrd. € und 2005 auf 1,65 Mrd. €. Davon entfallen auf die EU-Staaten und NATO und gleichgestellte Staaten etwa zwei Drittel, 12 % der Ausfuhren gehen an Entwicklungsländer, der Rest geht an andere Staaten. Bei 95 % der deutschen Ausfuhren handelt es sich um neu gefertigte Waffen. Die Zeiten, in denen die deutsche Exportstatistik von fahrlässiger Entsorgung von Waffenbeständen der NVA und der Bundeswehr geprägt war, sind offensichtlich vorüber. In der jüngsten Zeit entfielen auf gepanzerte Fahrzeuge mit knapp einem Drittel und Kriegsschiffe mit knapp einem Fünftel über die Hälfte der Waffenexporte.Bei den Kleinwaffen, die nur zum Teil als Kriegswaffen klassifiziert sind, sind 15 % an Entwicklungsländer geliefert worden, während die große Masse in die USA exportiert wird.

Die weitgehende Auflösung dessen, was im Kalten Krieg als MIK oder VPK politisch denunziert wurde, hat verschiedene strukturelle Gründe. Das gesamte Beschaffungsvolumen moderner Streitkräfte ist von einer starken Abnahme militär-spezifischer Technologien gekennzeichnet. Der spezifisch-militärische Wertschöpfungsanteil beschränkt sich zunehmend auf die kinetischen Zerstörungsmittel, während Aufklärung, möglichst in Echtzeit, und sichere Kommunikationsmittel einen wachsenden Teil der Beschaffungen ausmachen. Zukunftsszenarios, auf die sich die Beschaffung zwangsläufig orientiert, soweit sie nicht an überholten Waffensystemen (im militärischen Jargon  "legacy systems"), wie den Eurofighter (F-22, F-35 u.a.m.) vertragskonform abarbeitet, zielen auf "total battlefield awareness" und spekulieren darüber, wie kinetische Zerstörungsmittel durch nicht-kinetisch wirkende Waffen ersetzt werden können[13]. Diese Entwicklung hat zur Folge, dass sowohl auf der System- als vor allem auch auf der Komponentenebene innovative Technologien benötigt werden, deren Entwicklung von ziviler Nachfrage vorangetrieben wird. Die lange für neue Anbieter für unüberschreitbar gehaltene Zugangsschwelle des Marktes für militärische Hochtechnologie wird daher in den letzten Jahren immer häufiger überwunden[14]. Zweitens verliert die Rüstungsbranche aufgrund des Wirtschaftswachstums gegenüber der Gesamtleistung der Volkswirtschaft fortwährend an Gewicht. Dies gilt selbst für die Vereinigten Staaten mit deren aufgeblähtem Militärhaushalt. Trotz des rasanten Anstiegs der Militärausgaben in den USA ist deren Anteil am Bruttoinlandsprodukt gesunken.

Die hier beschriebenen rüstungstechnologischen Entwicklungstendenzen berühren die realen sozial-ökonomischen Verhältnisse in den ärmsten Ländern der Welt nicht. Diese Länder sind zwar am häufigsten Schauplatz von bewaffneten Konflikten, aber das militärische Niveau dieser bewaffneten Auseinandersetzung übersteigt selten den Einsatz von einfachem konventionellen Infanteriewaffen. Sie generieren wirtschaftlich gesehen eine eher zu vernachlässigende Nachfrage, die zu einem nicht geringen Teil auf grauen Märkten bedient wird, die durch Exportkontrollen in den Industrienationen kaum bzw. nur langfristig beeinflusst werden können. Es kommt hinzu, dass derartiges Kriegsgerät auch außerhalb hochindustrialisierter Länder an Billiglohnstandorten gefertigt werden kann, wenn zahlungsfähige Nachfrage die Leistungsfähigkeit grauer Märkte und das "second-hand" Angebot übersteigen sollte.

Nur zahlungsfähige Staaten erwerben moderne Waffensysteme und einige darunter dürften angesichts der latenten Drohung mit militärischer Intervention seitens der steigenden Zahl von Nuklearstaaten, allen voran den USA, perspektivisch sogar auf den Erwerb von Nuklearwaffen hinarbeiten. Diese Motivation wird, wie im Falle des Iran, noch dadurch verstärkt,, dass man den Zugang zu modernen konventionellen Waffen durch ein Embargo unterbindet, während andere Staaten in der Region umfänglich mit modernster Rüstungstechnologie beliefert werden. Die beliebig aggressiv gestaltbare außenpolitische Doktrin des "Krieges gegen den Terror" sorgt dafür, dass Nationen, die, wie der Iran, über Ressourcen verfügen, in eine Situation gebracht werden, in der sich politische Koalitionen durchsetzen, die unter dem Deckmantel, die nationale Souveränität zu sichern, (ideologische) Aufrüstung betreiben, Ressourcen vergeuden und sich demokratischer Kontrolle z.B. durch Massenmobilisierung entziehen.

Waffenhandel ein strategisches Thema für Attac?

Mit persönlichen Schlussfolgerungen für die Ausgestaltung von Attac-Kampagnen möchte ich die von mir bewusst vorgeführte Komplexität des Waffenhandelsthemas beenden. Die Konzentration auf Waffenhandel führt zu einer unangemessen asymmetrischen Behandlung der Anhäufung von Gewaltmitteln durch Staaten. In das Blickfeld geraten dabei vorrangig Rüstungsbeschaffung und Aufrüstung in Staaten, die nicht über entsprechende industrielle Kapazitäten verfügen. Aus meiner Sicht müsste sich Attac zunächst in aller erster Linie mit der fortgesetzten aggressiven, auf "preemption" ausgerichteten Rüstungs- und Militärpolitik wichtiger Industrienationen auseinander setzen. Die Legitimation der Anmaßung sich der Beseitigung aller atomaren Waffen zu widersetzen und riesige Arsenale unter dem Vorwand defensiver Sicherheitspolitik vorzuhalten, muss radikal in Frage gestellt werden, bevor man sich glaubwürdig gegen die Lieferung von Kriegsschiffen, gepanzerten Fahrzeugen und selbst Kampfflugzeugen in Länder aussprechen kann, die über keine eigene industrielle Kapazität verfügen. Andernfalls steht man zurecht unter dem Verdacht, dass man mit der Kritik am Waffenhandel eine Politik fördert, die faktisch auf die Sicherung der asymmetrischen militärischen überlegenheit und Interventionskapazität der führenden Industrienationen hinausläuft.

Auf Waffenhandel bezogen bleibt meines Erachtens für Attac als Aufgabe, das Aufspüren und Denunziation von Waffentransfers, die erkennbar zur Verletzung von Menschenrechten und/oder zur Alimentierung von bewaffneten Konflikten führen bzw. deren Beendigung behindern.

Anhang: Anmerkungen zum Strategiepapier von Attac in Frankreich

Abschließend will ich deutlich erklären, dass ich viele Annahmen Claude Serfatis in seinem Strategiepapier für Attac-France für überprüfungswürdig halte. Auch empirisch gibt es Zweifel an Daten, wie die Behauptung, dass die Ausgaben für private Sicherheitskräfte bei multinationalen Konzernen sich auf mindestens 5 % des Umsatzes beliefen (Seite 8). Ich denke, dass Claude Serfati noch zu sehr in einer Frankreich-spezifischen Kritik des Militärischen verhaftet ist, zu der er gemeinsam mit Chesnais unbestritten die wichtigsten Beiträge[15] seit den achtziger Jahren geleistet hat.

Das im Papier denunzierte Junktim Presse und Rüstung (Lagadère) ist eine vor allem auf Frankreich beschränkte Erscheinung. Dass die ziemlich absurde Militärintervention Israels im Libanon die Zukunft der Kriege im 21. Jahrhundert abbildet, ist zumindest nicht begründet. Ich halte hingegen dafür, dass das Finanzkapital sehr viel subtilere Strategien zur Durchsetzung seiner Interessen vorhält und die Neokonservativen und Bush längst nicht mehr erste Wahl sind. Dass das Militär den ultimativen Rückhalt für die Figur des Staates (Serfatis Beispiel ist Thailand) ist, dürfte sich nur für wirtschaftlich relativ entwickelte Staaten belegen lassen. In der weit überwiegenden Zahl der unterentwickelten Länder ist die Alimentierung dieses Rückhaltes schon lange versiegt. Die Beschreibung des Irakkrieges als einen Raubzug (pillage), von dem die Erdölkonzerne, die Telekommunikationsunternehmen, Technologieunternehmen in den Bereichen Elektrizität, Wasser und Wasseraufbereitung und nicht zuletzt die Rüstungsindustrie profitieren, scheint mir, lässt sich bis auf die Rüstungsindustrie, die von den enormen Ersatzbeschaffungen der amerikanischen Streitkräfte profitiert, bislang kaum belegen[16]. Einleitend fordert Claude Serfati, dass es notwendig sei, die Mechanismen zu analysieren, die die Beschleunigung des Militarismus seit den 1990igrer Jahren erklären. Er geht davon aus, dass sich das Finanzkapital auf Chaos und die Kriege eingestellt habe. Für beide Feststellungen liefert sein Text nicht wirklich tragfähige Belege. Wahrscheinlich ist es produktiver bei Alain Joxes L'empire du chaos [17]anzusetzen und seine Diskussion politisch produktiver Bruchlinien zwischen den USA und Europa strategisch weiter zu entwickeln.

Schließlich setzt aus meiner Sicht Militarismus voraus, dass der Staat hinreichend Ressourcen abschöpfen und bereitstellen kann, um Militarismus zur Machtausübung zu organisieren. Entweder verwendet Serfati Militarismus fälschlicherweise als Synonym für Machtausübung vermittels Gewaltandrohung, die es auch in völlig chaotisierten gesellschaftlichen Zuständen geben kann, die sich auf Anomie hinentwickeln oder seine Feststellung ist falsch und daher nicht sehr hilfreich, um darauf politische Strategien für Attac zu gründen.

Fußnoten

[1] Zur Veranschaulichung: Das Bundesland Hessen und El Salvador sind etwa gleichgroß und waren ähnlich dicht besiedelt.

[2] Engelhards und Heises (später Berufsverbot in der DDR) Imperialismusbuch war gleichwohl eine vorsichtige öffnung gegenüber dem absoluten Widerspruchs- und Zusammenbruchdogma, für das einflussreich Jürgen Kuczynski stand.

[3] UNDP. Human Development Report 1992, S.86.

[4] Dieser Sachverhalt kann hier nicht umfassend erläutert werden. Es dürfte aber genügen, auf die in Russland und den USA nicht entsorgten atomaren U-Boote, chemische Waffen oder die beispielhafte, noch immer nicht beendete Odyssee des außer Dienst gestellten französischen Flugzeugträgers Clemenceau zu verweisen. In Deutschland wäre auf die zynische Entsorgung großer Teile der DDR-Waffenbetände durch Verschenken in der unmittelbaren Nachwendezeit zuverweisen. Die ökologischen Hypotheken der militärischen Ressourcenbeanspruchung und -zerstörung, abgeschottet jenseits demokratischer Kontrolle hinter dem Schild der allseitig hingenommener Ideologie vorgeblich erforderlicher Geheimhaltung, werden erst von nachfolgenden Generationen abzuzahlen sein.

[5] Das Netzwerk der traditionellen Rüstungsindustrie, das vor allem in den Vereinigten Staaten politisch noch sehr einflussreich ist, kontrolliert die einschlägigen Fachzeitschriften, allen voran Aviation Week & Space Technology, in denen die vorgebliche technologische Spezifizität der in Entwicklung befindlichen Waffensysteme geradezu zelebriert wird. Tatsächlich jedoch generieren die globalen zivilen Märkte längst die Technologien, die zur Umsetzung der strategischen Zukunftsvisionen der "total battlefield awareness" benötigt werden.

[6] Siehe http://www.gkke.org/cns/upload/pdf/REB_2006-GKKE_41.pdf

[7] In solchen Fällen hat Deutschland wiederholt von den Bundeswehr  nicht benötigtes militärisches Gerät geliefert.

[8] In der Unternehmenschronik wird nicht ohne Stolz vermerkt, dass Connery in den ersten Filmen das Schreckschussimitat der P38 getragen habe. Inzwischen finanzieren sich zumindest zweitklassige Filme durch das "product placing" der Handfeuerwaffenindustrie (H& K, Glock, SIG, Walther u.a.).

[9] Zahlreiche Länder haben in ihrer kurzen Geschichte nach der Unabhängigkeit eine solche Kapazität niemals wirklich besessen, obwohl die formale Trennung von Innen und Außen, zwischen Polizei und Streitkräften zunächst überall als institutionelle Folie diente.

[10] Im Falle von BAe sind besonders viele Bestechungsskandale bekannt geworden. An Jordanien waren vor Jahren Millionen in Erwartung eines Auftrages für Tornados geflossen, die nach Intervention des IWF aufgrund fehlender Finanzierbarkeit  nie geliefert wurden. Vor einigen Wochen ist eine britische Ermittlungsbehörde auf Intervention des Premierministers mit der Begründung, das Verfahren gefährde die nationale Sicherheit, daran gehindert worden, fortgeschrittene Ermittlungen über massive Bestechungszahlungen im Zusammenhang mit einem großen Auftrag aus Saudi Arabien abzuschließen.

[11] Die m.E. empirisch gehaltvollste Studie zu diesen Fragen hat R.T. Naylor vorgelegt. Wages of Crime, Black Markets, Illegal Finance and the Underworld Economy, Cornell University Press 2002.

[12] Für eine detaillierte kritische Analyse der deutschen Rüstungsexporte insgesamt sollte man die jährlichen Gutachten der GKKE konsultieren, die auf die seit 1999 von der Bundesregierung vorgelegten Rüstungsexportberichte jeweils reagieren.

[13] Es handelt sich um eine Wiederholung auf sehr viel höherem Niveau der Doktrindiskussion der siebziger Jahren mit den Stichworten Neutronenbombe und automatisiertes Schlachtfeld.

[14] Ein prominentes Beispiel ist der Predator, ein unbemannter Flugkörper (UAV), der im Irak bereits im Einsatz ist. Er wurde von einem in den neunziger Jahren gegründeten Unternehmen entwickelt. Die etablierten Rüstungsginganten in den USA und Europa versuchen sich dieser Entwicklung dadurch zu stellen, dass sie derartige Neueinsteiger aufzukaufen versuchen. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass die wichtigen Innovationen für zivile Märkte generiert werden. Es ist fraglich, ob die geschluckten Unternehmensteile weiterhin erfolgreich auf dem Felde ziviler Technologie operieren können.

[15] Diese Arbeiten waren durch die Militäpolitik Dokumentation (Heft 90-95) auch der Friedensbewegung in deutscher übersetzung zugänglich.

[16] Allerdings steht im irakischen Parlament derzeit eine Gesetzesvorlage zu Beratung an, die vorsieht, ausländischen Konzernen dauerhafte Explorationsrechte zu überlassen, während inzwischen weltweit der Zugang zu Erdöl wieder weitgehend verstaatlicht ist.

[17] Eine kurze Zusammenfassung des Buches findet sich unter: http://www.peter-lock.de/frame.php?datei=txt/joxe.html&menu=text&view=screen&lang=de